auf dem Weg zum Melodramma romantico

 

Franz Hauk ist ein Pionier in der Pflege des musikalischen Erbes von Johann Simon Mayr. Immer wieder überrascht er mit Neuentdeckungen und Ausgrabungen aus der Feder des deutschen Komponisten, die dann von NAXOS als CD veröffentlicht werden. Jüngste Tat ist die Opera semiseria Le due duchesse ossia La caccia dei lupi, aufgenommen im September 2017 im bayerischen Neuburg an der Donau (8.660422-23, 2 CD). Das Libretto stammt von Felice Romani, dem berühmtesten Textdichter der Zeit, dessen Vorlagen von Rossini, Donizetti, Bellini, Verdi und anderen renommierten Komponisten vertont wurden. Schon Mayrs vorangegangene Oper Medea in Corinto, die als sein Hauptwerk gilt, stammte aus Romanis Feder.

Die Handlung führt ins mittelalterliche England im 10. Jahrhundert in das Reich von König Edgar. Der Herrscher beauftragt Herzog Enrico, in seinem Auftrag um die Hand der Gräfin Malvina anzuhalten. Diese gefällt dem Herzog allerdings selbst so sehr, dass er sie heiratet und dem König weismacht, sie sei zu hässlich für ihn. Statt Malvina wird deren Kammerzofe Laura Edgar angedient, die ihrerseits mit dem Jägerhauptmann Berto verlobt ist. Seine Ehefrau hält Enrico zunächst geheim, was freilich nicht lange funktioniert, womit die tragikomischen Verwicklungen beginnen. Denn bei dem 1814 an der Mailänder Scala uraufgeführten Werk handelt es sich um eine semiseria – also eine Oper mit ernsten und heiteren Elementen. Dem entspricht Mayrs Musik mit ihren Arien und Ensembles, mit Ritterchören und Troubadour-Gesängen. Mit dem Concerto de Bassus, das sich aus Professoren und Absolventen der Hochschule für Musik und Theater München zusammensetzt und auf historischen Instrumenten musiziert, verhilft Hauk der Komposition zu sprühendem Leben, wird ihrem hybriden Charakter zwischen buffoneskem Duktus und lyrisch-ernster Stimmung jederzeit gerecht.

Der vom Dirigenten 2003 gegründete Simon Mayr Chorus kommt in mehreren Nummern als Donzelle, Cacciatori und Vassalli zum Einsatz, wirkt oft auch mit Gewinn bei den Arien der Protagonisten mit.

Die Besetzung wird angeführt von der südkoreanischen Sopranistin Eun-Hye Choi als Malvina mit klarer, obertonreicher Stimme. In der von Harfenklängen zauberisch umspielten Sortita vermag sie Malvinas melancholische Stimmung berührend wiederzugeben. Dagegen irritiert bei ihrem letzten Solo, „Deh! Per quel dolce oggetto“, der säuerliche Ton, der sich erst im emphatischen Schluss der Nummer verliert. Ihr erstes Duett hat Malvina mit Enrico, dem Markus Schäfer seinen nicht mehr ganz jugendlich klingenden Tenor leiht. Auch König Edgar ist ein Tenor, bei der Uraufführung immerhin vom Startenor Giovanni David kreiert. Young-Jun Ahn, gleichfalls aus Süd-Korea, wartet mit noblem Timbre fern jeder buffonesken Anmutung auf, klingt in der exponierten Lage allerdings angestrengt, wie es der Schlussteil seiner Arie hören lässt. Malvina hat auch ein Duett mit ihrem Vater Loredano („Morte!“), den der Bass Jaegyeong Jo souverän wahrnimmt. Sein Diener Guglielmo ist gleichfalls ein Bass (Niklas Mallmann).

Das zweite Paar bringt die munteren buffa-Elemente ein. Laura übt sich im ersten Auftritt („Passò quel tempo“) in ihrer neuen Rolle als Gattin des Königs in spe und weist ihren Verlobten Berto scheinbar zurück, was diesen verständlicherweise eifersüchtig macht. Die Sopranistin Tina Marie Herbert gefällt mit liebenswürdigem Ton und erweist sich auch als souverän in den virtuosen Verzierungen dieser Nummer. Samuel Hasselhorn mit seinem geschmeidigen und höhenstarken Spielbariton passt zu ihr ideal, wie man auch in beider Duett „Un marito cacciatore“, welches am Ende zu ausgelassenem Koloraturjubel führt, vernehmen kann. In heiterer Munterkeit endet das Werk, dessen lohnende Wiederentdeckung Franz Hauk und seinem Team zu danken ist. Und mehr als lesenswert ist der kluge Einführungstext von Thomas Lindner. Bernd Hoppe

 

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