Stenhammars „Fest auf Solhaug“

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Es gibt nicht eben viele Ibsen-Opern. Die siebte Ausgabe von The Romantic Opera in Sweden (Sterling CDO 1108/1110-2) sticht deshalb sofort ins Auge. Nach Opern u.a. von Hallström und Berwald folgte nun Wilhelm Stenhammars 1899 an der Stuttgarter Hofoper uraufgeführtes Fest auf Solhaug (Gillet pa Solhaug) nach Hendrik Ibsens gleichnamigem frühem Stück, mit dessen nationalromantischem Stoff er als Leiter des Theaters in Bergen einen Beitrag zum Aufbau eines norwegischen Nationaltheaters leisten wollte. Aus diesen Gründen beschäftigte sich der 25jährige Ibsen mit dem norwegischen Mittelalter, „Ich versuchte, so gut es ging, mich in die Sitten und Gebräuche jener Zeit einzuleben“, schrieb er im umfangreichen Vorwort zur zweiten Ausgabe, die in meiner alten Insel-Ausgabe abgedruckt ist und in der er sich gegen Plagiatsvorwürfe wehrte, „in das Gefühlsleben ihrer Menschen, in ihre Denkungsart und Ausdrucksweise….Ein großes Festgelage mit aufreizenden Reden und verhängnisvollem Zusammenstoß sollte in dem Stück vorkommen“. Aus isländischen Familiensagas entwickelte er die im 14. Jahrhundert spielende Geschichte der Schwestern Margit und Signe und des Ritters und Sängers Gudmund Alfsön. Gudmund war einst fortgezogen und in die Dienste des Königs getreten. Margit wurde mit dem ungeliebten Bengt Gauteson verheiratet. Nun kehrt der aufgrund einer Intrige mit der Acht belegte Gudmund nach Solhaug zurück, wo immer noch seine Harfe aufbewahrt wird. Margit liebt Gudmund noch immer, beabsichtigt, ihren Mann zu vergiften und mit Gudmund zu fliehen, erkennt aber, dass dieser ihre Schwester Signe liebt.

Wilhelm Stenhammar/ wiki pl

Wilhelm Stenhammar um 1900/ wiki pl

Leidenschaften kochen hoch, nicht aber Wilhelm Stenhammars Musik, die nach einer kurzen schönen spätromantischen Einleitung und einem an den frühen Strauss erinnernden Klang in einem Ton pfleglicher Langeweile verweilt. Das finstere Mittelalter mit saufenden, kämpfenden Männern erinnert an manche Grundkonstellationen, die wieder bei Schreker auftauchen, doch Stenhammar verarbeitet das alles ohne Raffinesse und mit endlos wirkenden, dröhnend pathetischen und staubtrockenen Dialogen, man fühlt sich als Hörer geradezu in das düstere Haus von Margits Mann Bengt Gauteson gesperrt und von dem Gesöff aus den schweren Bierhumpen benebelt. Im mittleren der drei Akte lichtet sich der Ton ein wenig tanzbeschwingt und ekstatisch auf, wie wenn die Fenster aufgerissen werden und endlich einen Blick auf die Fjorde erlauben.

Der 1871 in Stockholm geborene Wilhelm Stenhammar ist von den Skandinaviern wie Grieg beeinflusst, wurde während seines Klavierstudiums, das er 1893 in Berlin beendete, mit der deutschen Musik von Bach bis zur Spätromantik vertraut, und wuchs inmitten der auch in Schweden geführten Wagner-Debatten und dem Ruf nach einem Gesamtkunst auf, nicht zuletzt kam er durch seine Tante, Frederika Stenhammar, die erste namhafte Wagner-Sängerin Schwedens, mit Wagner in Berührung. Stenhammar begann 1892 mit der Arbeit an der Oper, wobei er Ibsens umgearbeitete Fassung von 1883 benutzte, deren Text er ohne Umweg über ein Libretto direkt vertonte, wodurch Das Fest auf Solhaug zu den frühen Literaturopern zum Beginn des 20. Jahrhunderts gehört. Das Werk wurde von Ader Berliner Hofoper angenommen, die es aus unerfindlichen Gründen liegen ließ, wodurch 1899 die Hofoper in Stuttgart die Uraufführung ausrichtete. Man berichtete von einem „vollen Haus und warmen Beifall“. Die Oper fand in Deutschland keine Verbreitung, 1902 leitete Stenhammar die schwedische Erstaufführung am Kungliga Teatern, zu dessen zweiten Kapellmeister er 1900 ernannt worden war.

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Der aus Bochum stammende derzeitigen Musikchef der Göteborgs Operan Henrik Schäfer versucht in der im August 2015 in Norrköping in Zusammenarbeit mit dem Schwedischen Radio entstandenen Aufnahme mit dem seit 1912 bestehenden Symphony Orchestra of Norrköping die Verbindung von Wagners Musikdrama und nordisch nationalromantischen Traditionen und Stenhammars handwerkliche Sicherheit geschmeidig und elegant umsetzen, wenngleich ich der Aussage im Beiheft, Stenhammar sei in Das Fest auf Solhaug „ein leidenschaftlicher, intensiver intuitiver Musiker, der Personenbeziehungen, pulsierendes Drama und Stimmungen einfängt“ nach 2 ¾ Stunden nicht bedingungslos beipflichten möchte. Karolina Andersson, die 2007-09 an der Komischen Oper wirkte, wo sie u.a. die Ophelia in Josts Hamlet kreierte, singt die Signe mit ansprechendem lyrischem Sopran, Matilda Paulsson ist mit hohem Mezzosopran die Margit, Per-Hakan Precht besitzt mit seinem leichten lyrischen Tenor den rechten Klang für den Sänger Gudmund, und der Bariton Frederik Zetterström gibt einen dräuenden Bengt Gauteson. Rolf Fath

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Foto oben: Carl August Söderman als Bengt Gautesön in der Uraufführung/Wikipedia; Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.