Lehrreich und unterhaltsam

 

Fünf Jahre nach dem Richard Strauss gewidmeten Jubiläumsjahr 2014 erscheint dem Leser das bereits 2013 erschienene Buch von Christoph Wagner-Trenkwitz wie eine Art Vorspeise, leicht und Appetit auf mehr machend, und mehr kam dann ja auch mit einer Flut von Strauss-Büchern, einige davon sich der fragwürdigen Aufgabe widmend, Charakter und Verhalten des Komponisten insbesondere in der Nazizeit von der Warthe des wissenden Nachgeborenen her scharf zu verurteilen. Das Buch Sie kannten Richard StraussEin Genie in Nahaufnahme hingegen ist eher ein Liebesbekenntnis als eine Abrechnung, eher eine Plauderei als eine wissenschaftliche Untersuchung und nicht zuletzt deswegen auch heute noch ein höchst angenehmer, Genuss bereitender Lesestoff, den man am liebsten gar nicht aus der Hand legen möchte.

Der Verfasser betont, dass er wohl kaum Neues an Tatsachen über den Komponisten bieten kann, wohl aber sehr Persönliches, wofür einer der Enkel von Strauss einer der Garanten ist, Opernfanatiker Marcel Prawy Freunden und Kollegen Interessantes entlockt, Literaten wie natürlich Hofmannsthal oder Bahr kein Blatt vor den Mund nehmen und das Zeugnis Stefan Zweigs, der sich im Exil das Leben nahm, ein ganz besonders berührendes ist. Wie unterschiedlich man eine Äußerung auslegen kann, je nachdem, wie übel oder wohl man dem Zitierten will, zeigt die berühmte Formulierung, mit der in einem Brief  Zweig „jüdischer Starrsinn“ vorgeworfen wird, was Eiferer als antisemitischen Ausfall interpretieren möchten, während sich der Leser dieses Buches selbst ein Bild machen kann und eher zu dem Schluss kommen wird, dass Strauss, was die Politik angeht, doch recht naiv war.  Um beim „Bild“ zu bleiben, das Buch ist wertvoll auch durch die zahlreichen Fotos teils aus Privatbesitz und bisher unveröffentlicht.

Ein umfangreiches Kapitel widmet das Buch der Strauss-Gattin Pauline, berüchtigt als hysterischer Zanketeufel und durch den Briefwechsel und Aussagen von Strauss und seinen Weggenossen zweifellos rehabilitiert und durchaus  als Muse des Komponisten anerkannt, wenn auch streng auf Regeln zum Erhalt seiner Gesundheit achtend. Ganz nebenbei kommt der Leser zu der Einsicht, dass der Kultur des Briefeschreibens ein hoher Wert beizumessen ist, vergleicht man mit dem schriftlichen Umgang zwischen heutigen Zeitgenossen.

Belustigend ist „die Affäre Mieze Mücke“, die keine war, berührend sind die Erinnerungen der Enkel, so daran, wie Strauss den Untergang Dresdens beweinte, wie sich Klaus Mann als angeblicher Amerikaner in Garmisch aufführte,  wie der Großvater für den Enkel und dessen Geige eine Daphne-Etüde komponierte. Der Geschichte, die Baldur von Schirach betrifft, und der Tatsache, dass er Pauline Strauss  („wenn der braune Spuk vorbei ist“) vor Unannehmlichkeiten bewahrte, hätte man wohl den Hinweis darauf, dass dieser Mann die deutsche Jugend mit auf dem Gewissen hatte, hinzufügen sollen. Ein Geburtstagsbrief 1944 an einen der Enkel  ist ebenso aufschlussreich wie der Bericht über die Entstehung der Vier letzten Lieder.

Zahlreiche Zeugnisse von Künstlerfreunden sind ebenso interessant wie Anmerkungen über die Generalprobe zur Liebe der Danae, bevor auch Salzburg alle kulturellen Aktivitäten einstellen musste.

Die Gesprächsrunde mit Prawy, zu der Hans Hotter, Karl Böhm und Viorica Ursuleac gehörten, räumt endlich auch mit dem Vorurteil auf, Strauss sei beim Skat ein schlechter Verlierer gewesen. Man liest das Buch gern und erfährt einiges, was man noch nicht wusste. Was will man mehr?

Und der Anhang ist streng wissenschaftlich mit Zeittafel, Literaturauswahl, Anmerkungen und Namensregister (225 Seiten,  2013 Amalthea Verlag Wien ISBB 978 3 85002 746 5  / Foto oben: Richard Strauus, Portrait von Liebermann/ Wikipedia.nl). Ingrid Wanja