Rollende Augen, finstere Blicke

Die bereits seit Jahren, erst als VHS-Video, später als DVD kursierende Macbeth-Aufführung von 1972 aus Glyndebourne ist kürzlich bei Arthaus (102316) neu wieder herausgekommen. Auf den ersten Blick verwundert das, hat eine über vierzig Jahre alte Opern-Inszenierung heute doch schon fast steinzeitlichen Charakter. Alles, wirklich alles hat sich inzwischen in der Opernszene verändert. Eine so schlichte Optik, wie sie die minimalistische Inszenierung von Michael Hadjimischev zeigt, wäre heute undenkbar. Und dann tragen die Protagonisten auch noch  „historische“ Kostüme – das geht ja überhaupt nicht mehr, wird allenthalben argumentiert!

Mag sein, dass der unselige Zeitgeist heute sein  Recht einfordert, und eine neue (Opern-) Theater-Ästhetik sich durchgesetzt hat. Was sich aber nicht verändert hat, sind die Anforderungen an die Sänger dieser eher sperrigen Verdi-Oper. Für Macbeth und seine Lady bedarf es großer Sängerpersönlichkeiten, und mit solchen kann die Produktion durchaus aufwarten. Kostas Paskalis bringt für sein Macbeth-Debüt genau die richtige, etwas spröde Bass-Bariton-Stimme mit. Die eher bösartigen Zeitgenossen waren von je die Stärke dieses leider längst verstorbenen Sängers. Sicher, hier wird mit den Augen gerollt und finster geblickt, was das Zeug hält, aber was sonst erwartet man von einem Macbeth? Paskalis überzeugt sängerisch, und das sollte eigentlich auch heute noch das Kriterium sein. Glanzpunkt der Aufführung ist freilich die ebenfalls debütierende Josephine Barstow als Lady. Zumeist in leuchtendem Rot gewandet, wird sie vom Augenblick ihres ersten Auftritts an das Zentrum der Aufführung. So will man das gesungen hören – und sehen. James Morris, eher selten im italienischen Fach anzutreffen, liefert einen  balsamisch singenden Banquo ab, Keith Erwen ist ein rollendeckend lyrischer Macduff.

Chor und Orchester der Glyndebourner Festspiele bewegen sich auf bekannt hohem Niveau, nur mit dem Dirigat des hoch verehrten John Pritchard will man nicht so ganz froh werden. Da wird vielfach ein bisschen schwerfällig musiziert. Die Stärken Pritchards scheinen doch eher bei Mozart zu liegen. Insgesamt aber eine sinnvolle Wiederveröffentlichung, sei es auch nur für ein Museum der Oper.

Peter Sommeregger