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Wohl kaum jemand kennt die Werke des kroatischen Komponisten Blagoje Bersa (1873-1934). Dem hat jetzt hinsichtlich seiner Lieder das Label hänssler CLASSIC abgeholfen, indem es in einer Welt-Ersteinspielung eine Doppel-CD herausgebracht hat. Bersa studierte zunächst in Zagreb und von 1896 bis 1899 am Konservatorium der Gesellschaft der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien bei Robert Fuchs und Julius Epstein. Während seiner Dirigierverpflichtungen in Sarajevo, Split, Graz und Osijek lebte er mit kurzen Unterbrechungen in Wien, bis er 1919 nach Zagreb zurückkehrte, wo er ab 1922 bis zu seinem Tod als Professor für Komposition und Instrumentation an der neu errichteten Musikakademie wirkte. Über seine Musik wird geschrieben, dass er den damaligen traditionellen Musikstil durch neue Nuancen in Harmonie und Klangfarben bereicherte. Bersa war in allen Bereichen schöpferisch tätig; außer Kammermusik und Liedern gibt es Orchester-, Chor- und Klavierwerke in seinem Gesamtwerk. Für die Bühne komponierte er das Musikdrama Feuer sowie die Opern Jelka, Oganj (Der Eisenhammer) und Der Schuster von Delft nach Hans Christian Andersen.
Die Doppel-CD mit dem Bassbariton Kresimir Strazanac und dem Pianisten Kresimir Starcevic ist eine ausgesprochen positive Überraschung. Denn die insgesamt 24 Lieder zeugen von großem Melodienreichtum und feinem Nachzeichnen der weitgehend lyrischen Texte. Aber auch die hochdramatische Stimmung in Herders Ballade Edward, die den Vergleich mit der bekannten Brahms–Vertonung nicht zu scheuen braucht, erfährt eine beeindruckende Wiedergabe. Und damit sind wir bei den beiden kroatischen Interpreten, die bestens aufeinander abgestimmt sind. Besonders aber imponiert die geradezu vollendete Gestaltung durch den Sänger, der auch wegen der tadellosen Diktion und Intonationsreinheit für den Konzert- und Liedgesang wie geschaffen erscheint. CD 1 enthält neben der schon genannten Ballade Vertonungen von vier Heine-Gedichten, bei denen Schubertscher Einfluss unüberhörbar ist. In weiteren, deutsch gesungenen lyrischen Liedern nach Gedichten von Lermontow, Henrik Ibsen und Wilhelm Müller erfreut die technisch fundierte, bruchlose Führung des klaren, klanglich angenehm wirkenden Baritons durch alle Lagen. Auf CD 2 erklingen überwiegend Lieder, die durch kroatische Folklore beeinflusst sind. Hier und in der die CD abschließenden, auf italienisch gesungenen Goethe-Ballade Der König in Thule erweisen sich erneut die Vorzüge des Sängers, dem gemeinsam mit dem durchweg partnerschaftlich mitgestaltenden Pianisten jeweils überzeugende Liedinterpretationen gelingen (hänssler CLASSIC HC23010, 2 CD).
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Nun hat Brilliant Classics mit Volume 5 die Ausgabe sämtlicher Lieder von Nikolai Medtner (1880-1951) abgeschlossen. Wieder sind die in Taschkent geborene Mezzosopranistin Ekaterina Levental aus den Niederlanden und der Piano-Professor Frank Peters aus Amsterdam am Werk, die die gefühlvollen, spätromantischen Lieder des hierzulande wenig bekannten russischen Pianisten und Komponisten ausdeuten. Neben über 100 Liedern ist dieser in erster Linie mit Kompositionen für Klavier hervorgetreten, was sich auch in den Liedern niedergeschlagen hat. Der Titel der CD Geweihter Platz geht auf ein Goethe-Gedicht zurück, dessen Vertonung mit einer langen Vokalise verbunden ist. In der Reihe Sieben Gedichte op.46 geht es um Gedichte von Goethe, Eichendorff und Chamisso. Außerdem interpretieren die Künstler fünf Lieder nach Friedrich Nietzsche und in op. 61 acht Lieder nach Gedichten von Eichendorff sowie – im russischen Original gesungen – Pushkin, Lermontov und Tyutchev; den Ausklang bildet Wie kommt es? von Hermann Hesse. Insgesamt wirkt sich stets die Vorliebe Medtners für das Klavier aus, weil bei fast allen Liedern es deutlich im Vordergrund steht, so dass die Sängerin es nicht immer leicht hat, verständlich zu sein, was teilweise auch an ihrem nicht durchweg überzeugenden Umgang mit der deutschen Sprache liegen mag. Besonders in der Vokalise im Zusammenhang mit Goethes Geweihter Platz fällt dagegen die gute Führung ihres kräftigen Soprans durch alle Lagen positiv auf. Im Übrigen spüren die Künstler den Stimmungen in den Gedichten sorgfältig nach und erfassen so ihre jeweiligen unterschiedlichen Inhalte. Allerdings singt die Mezzosopranistin mit Ausnahme weniger klarer Spitzentöne mit recht starkem Vibrato, wodurch leider manche Unruhe entsteht. Jedenfalls ist es sehr verdienstvoll, dass die doch weitgehend unbekannten Lieder Medtners mit der Gesamtedition festgehalten sind (Brilliant Classics 98072). Gerhard Eckels