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Mit ihrem Debütalbum Heimwee schlägt die südafrikanische Sopranistin Linda van Coppenhagen eine aufschlussreiche Brücke zwischen den Kulturen, wenn hier die deutsche Romantik ausgesuchten Liedern eines südafrikanischen Komponisten begegnen. Linda Van Coppenhagen und ihre Mitmusikerin, die Klarinettistin Friederike von Oppeln-Bronikowski sowie der Pianist David Grant schaffen hier in symbiotischer Interaktion ein berührendes Ganzes mit Entdeckungswert.
Als einer der wenigen hat Louis Spohr in seinen Sechs Deutschen Lieder op. 103 das Potenzial der Kombination Stimme plus Klarinette plus Klavier erkannt. Bereits im ersten Lied Sei still mein Herz wird die Dialogstruktur zwischen Klarinette und Gesang deutlich: Die Klarinette agiert als „zweite Stimme“, die das Unaussprechliche hinter den Worten weiter verstärkt, was auch für die weiteren Stücke in diesem Zyklus so wirkt.
Kaum hierzulande bekannt ist Kammermusik aus Südafrika, deren Tradition trotz der historischen Konnotationen der Apartheid hohen Respekt verdient. Das beweisen nicht zuletzt die Werke von Stephanus Le Roux Marais (1896-1979), dessen Liedkompositionen durch die Interpretation auf dieser CD wie echte Kostbarkeiten funkeln. Insbesondere das titelgebende Stück Heimwee – so die Schreibweise dieses Wortes in Linda Coppenhagens Muttersprache afrikaans -spiegelt das große, brennende Gefühl der Sehnsucht wider – ein Thema, das van Coppenhagen besonders während der Pandemie erlebte, als die Reiseverbote sie physisch von ihrem Herkunftsland trennten und was letztlich zur vorliegenden CD-Produktion den ersten Anstoß lieferte. Die darstellerische Intensität ihres Gesangs, besonders in den melancholischen Untertönen, unterstreicht diese Involviertheit eindrucksvoll. Im Gegensatz dazu steht das kraftvolle Mali die slaaf se Lied, das die Geschichte von Sklaverei und Unterdrückung in Südafrika thematisiert und als musikalischer Kommentar zur sozialen Ungerechtigkeit der Vergangenheit und Gegenwart gehört werden kann. Lebensbejahung und die Hoffnung auf einen Neuanfang finden sich in dem Lied Geboorte van die Lente (Geburt des Frühlings), das durch seine sprudelnden Melodien und dynamische Rhythmik das Thema der Erneuerung feiert.
In den nun folgenden Liedern von Richard Strauss zeigt die Sopranistin noch mehr interpretatorische Versiertheit: Die dramatischen Ausbrüche in Schlechtes Wetter, zu denen David Grants virtuoses Klavierspiel die hämmernden Regentropfen plastisch abbildet, nimmt man der Südafrikanerin, die hier in Deutschland die sonnendurchflutete Weite ihrer Heimat vermisst, ohne weiteres ab. Silbrig-leicht lässt sie die Höhen im Ständchen leuchten. Schlagende Herzen überzeugt durch die präzise Darstellung innerer Aufgewühltheit, während Ich trage meine Minne von zarter Hingabe geprägt ist. In Die Nacht beeindruckt van Coppenhagen durch subtile dynamische Abstufungen und die Fähigkeit, düster-meditative Stimmungen zu kreieren.
Abschließend greift Franz Schuberts Der Hirt auf dem Felsen als dramatisches Finale noch einmal den „Trialog“ zwischen Sopran, Klarinette und Klavier auf überzeugende Weise auf. Entstanden im Frühling 1828, kurz vor Schuberts Tod, beschwört dieses Stück das Bild eines Hirten, der auf einem Felsen sitzt und auf die Ferne blickt. Van Coppenhagen und ihre Mitmusiker fühlen sich hier tief in die innige Verbindung zwischen Natur und Liebe ein, wie sie dieses Schubert-Lied thematisiert.
Fazit: Diese Sopranistin aus Südafrika beherscht mit ihren beiden Begleitern die hohe Kunst, im knappen Format eines Liedes emotional und atmosphärisch auf den Punkt zu kommen. Ihre Debüt-CD ist auf jeden Fall eine künstlerische Visitenkarte mit Gewicht (Monarda Music 2024/ Foto oben/Ausschnitt: Die Drakensberge in Südafrika/Foto Royal Natal). Stefan Pieper