Urlaub auf der Insel

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Mit der Veröffentlichung der Tragédie en musique Télémaque & Calypso von André Cardinal Destouches ist das Label Château de VERSAILLES wieder ganz in seinem Stammrepertoire angekommen. Die Aufnahme entstand Anfang Oktober des letzten Jahres in Puteaux und wurde auf zwei CDs mit wie stets gediegener Ausstattung veröffentlicht (CVS128).

Das Libretto von Simon-Joseph Pellegrin beschreibt eine Episode, in der Télémaque, Sohn des Ulysse, vor der Insel der Nymphe Calypso Schiffbruch erleidet und von dieser begehrt wird. Er jedoch ist in die Nymphe Eucharis verliebt, die von Calypso gefangen gehalten wird und in Wirklichkeit Idoménées Tochter Antiope ist.

Das Stück wurde 1714 an der Académie royale de musique in Paris uraufgeführt, erlebte 1730 eine Wiederaufnahme in veränderter Fassung, welche für diese Weltersteinspielung genutzt wurde. Musikalisch gilt Destouches als Nachfolger Lullys, bemüht, den Stil seines großen Vorgängers fortzuführen. Die Figur der Calypso steht in der Tradition einer Armide, Médée, Circe und Didon. Die Neufassung 1730 zeichnet sich durch Verbesserungen in der Orchestrierung und Harmonie aus, gestaltet die Dialogszenen lebendiger und emotionaler. Bestimmte Szenen, wie Calypsos Traum im 1. oder die Chaconne im 3. Akt, beweisen Originalität und Erfindungsreichtum, zeigen alles andere als ein Epigonentum zu Lully.

Die Aufnahme glänzt durch eine exzellente Besetzung, angeführt von Isabelle Druet als Calypso mit substanzreichem Sopran und gewichtiger Autorität. Höhepunkte ihrer Interpretation sind ihr Solo mit atemloser Erregung zu Beginn des 5. Aktes („Haine. dépit, fureur“) und die packende Schluss-Szene („Quels sifflements affreux“). Auch der männliche Titelheld ist in der Darstellung von Antonin Rondepierre eine ideale Besetzung. Sein klangvoller Tenor durchmisst eine plastische Entwicklung der Figur vom introvertierten Beginn („Dieu des mers“) bis zum lebhaften Finale. Emmanuele de Negri gibt der Antiope leuchtenden Umriss, setzt mit ihrem innigen, von der Flöte begleiteten Monolog zu Beginn des 4. Aktes, „Lieux sacrés“, einen Glanzpunkt. Als Adraste, König von Thrakien und Verehrer Calypsos, überzeugt David Witczak mit sonorem Bariton und dramatischem Nachdruck, hinterlässt vor allem im 3. Akt und in seiner Sterbeszene starken Eindruck. In mehreren Rollen besetzt, gefallen Adrien Fournaison, Hasnaa Bennani und Marine Lafdal-Franc.

Das Ensemble Les Ombres, entstanden durch die Zusammenarbeit von Sylvain Sartre und Margaux Blanchard, die auch dieses Projekt künstlerisch verantworten, musiziert mit hinreißender Vitalität, aber auch bestechender Präzision. Wieder eine Aufnahme von VERSAILLES, die das Siegel des Singulären verdient. Bernd Hoppe (3. 8. 24)