.
Müssen die einzelnen Programmpunkte eines Konzerts etwas miteinander zu tun haben? Ja, meinen die Urheber der CD Debussy & Strauss und finden es darin, dass beide Komponisten für ihnen nahe oder sehr nahe stehende Sängerinnen komponiert haben. Das wäre für Debussy seine allerdings anderweitig verheiratete Geliebte Mary Garden, später seine erste Melisande, und für Strauss seine Gattin Pauline, die allerdings Jahrzehnte vor dem Entstehen der Vier letzten Lieder sich als Sängerin, so als erste Freihild im Guntram produzierte. Müssen die einzelnen Programmpunkte eines Konzerts in einem Kontrast zueinander stehen? Auch ja, meinen seine Verursacher und sehen diesen darin, dass Debussy beim Entstehen von Ariettes oubliées erst 24, Strauss hingegen beim Entstehen seines Mini-Zyklus, der nicht als solcher gedacht war, bereits 84, war allerdings zu dieser Zeit und auch sonst nicht gezwungen, ins Exil in die Schweiz zu gehen, wie das Booklet behauptet.
Die Texte zu Debussys Chansons wurden auf Gedichte des Symbolisten Paul Verlaine vertont, ursprünglich mit Klavierbegleitung, die Begleitung durch Orchester komponierte Brett Dean auf Anregung von Simon Rattle und Magdalena Kožena und orientierte sich dabei zwischen La Mer und L’Après-midi d’un faune. Für Strauss weist das Booklet interessanterweise darauf hin, dass aus Eichendorffs letzter Zeile „Ist das etwa der Tod“ ein „Ist dies etwa der Tod“ und damit eine größere Nähe zum nahenden Lebensende wurde.
Die Sängerin der beiden Zyklen ist Siobhan Stagg, eine australische Sopranistin, die dem Berliner Publikum durch jahrelange Präsenz an der Deutschen Oper Berlin bestens bekannt ist. Hier konnte man sie als leichten, dann lyrischen Sopran zwischen Sophie und Pamina erleben, inzwischen hat sie eine internationale Karriere gemacht und kümmert sich auch bereits um die nachfolgende Sängergeneration mit den Siobhan Stagg Encouragement Awards. Der Dirigent der Aufnahme ist Jaime Martin, Chefdirigent des Melbourne Symphony Orchestra, das er auch für dieses Konzert leitet.
.
Strauss hatte sich für die Uraufführung, die er selbst nicht mehr erlebte, Kirsten Flagstad gewünscht, die auch als Erste, begleitet von Wilhelm Furtwängler, den Zyklus sang. Frühe Aufnahmen gibt es auch von Sena Jurinac und Fritz Busch, Lisa della Casa und Kurt Böhm sowie Elisabeth Schwarzkopf und Herbert von Karajan. Das sind sehr unterschiedliche Stimmtypen für eine Musik, für die man sich die lockere Stimmführung, den natürlichen, duftigen Klang einer Sophie und die Wärme und den melancholischen Touch einer Marschallin wünscht, dazu noch wegen der hohen Qualität der Texte eine perfekte Diktion. Die von Siobhan Stagg ist etwas verwaschen, da vertraut die Sängerin wohl darauf, dass das australische Publikum sowieso auf eine Übersetzung angewiesen ist. Der Sopran nimmt allerdings sehr schön das Farbenspiel des Orchesters auf, die Stimme schraubt sich mühelos in die höchsten Höhen, dem Klangrausch die Textverständlichkeit opfernd. Ein sehr sanfter Tod wird mit einem schön verhallenden Schluss des letzten Liedes verheißen. Die leichte Veränderung des Eichendorfftextes von „ist das“ in „ist dies vielleicht der Tod“ wird damit eher zurückgenommen als bestätigt.
Der Debussy-Zyklus beginnt mit einer „extase langoureuse“ in schillernder Bewegtheit, allerdings auch wieder verhuschter Diktion, der Sopran korrespondiert in Il pleur dans mon cœur schön mit den Orchesterfarben und hat für L’ombre des arbres eine reiche Agogik. Leichtigkeit und Geschmeidigkeit zeichnen den instrumental geführten Sopran in Chevaux de Bois aus, Eleganz und schillernde Farben hat sie für Green und kraftvoll aufblühen kann sie für Spleen– insgesamt ist sie bei der Interpretation des jungen Debussy noch weit mehr in ihrem Element als bei der des über achtzigjährigen Strauss., während das Orchester beiden Komponisten in seiner begleitenden Funktion gerecht wird (SACD MSO 001)I. Ingrid Wanja