Licht und Schatten

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Der Tenor Richard Resch sucht – und findet einen auffällig traditionellen Interpretationsansatz für seine Aufnahme der Winterreise von Franz Schubert. Sie ist bei Da Vinci Classics erschienen (C00763). Begleitet wird er vom brasilianisch-amerikanischen Pianisten Diego Caetano. Der Sänger lässt sich Zeit, er hetzt nicht durch Noten und Text. Es ist ihm wichtig, verstanden zu werden. Und das wird er auch. Resch singt eine leise Winterreise, vermeidet Härten und grelle Ausschweifungen. Sein Wanderer ist von sanfter Natur. Mitunter etwas zu sanft. Er wehrt sich gegen nichts. Kein Wunder, dass die Geschichte endet wie sie endet – in Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit. Die Details im Vortrag sind diskret und fein ausgearbeitet und entsprechen wohl auch den technischen Möglichkeiten seines lyrischen Tenors. Der Begleiter folgt ihm bei diesem Konzept.

In Regensburg geboren, erhielt Resch seine erste musikalische Ausbildung am humanistischen Musikgymnasium der Domspatzen, wobei er von Anfang an mit einem breiten musikalischen Repertoire in Berührung kam und mit vielen namhaften Künstlern zusammenarbeiten durfte, ist auf seiner Homepage zu lesen. Nach seinem Abitur habe er zunächst Elementare Musikpädagogik, Klavier- und Gesangspädagogik an der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg studiert. Neben seiner sängerischen Tätigkeit belegte er den eigenen Angaben zufolge noch ein Studium der Musikvermittlung und Konzertpädagogik am Leopold-Mozart-Zentrum und vertiefte anschließend seine Kenntnisse in Alter Musik und Ensemblegesang an der Hochschule für Alte Musik „Schola Cantorum Basiliensis“ der Musikakademie Basel. Eine intensive Beziehung hat sich Resch in seiner bisherigen Laufbahn zur Barockmusik erarbeitet. Davon scheint auch seine Aufnahme der Winterreise zu profitieren, die ganz bewusst als Erzählung des Geschehens angelegt scheint und deshalb auch an die großen Rezitative in den Oratorien von Johann Sebastian Bach erinnert.

Als problematisch erweist sich die Sängerbesetzung bei einer weiteren CD von Da Vinci Classics. Darauf singt Giuseppe Auletta, begleitet von seinem Zwillingsbruder Giovanni Lieder von Wilhelm Kempff (C00772). Kempff wirkte nicht nur als Pianist, er hat auch komponiert. Sein Werk ist ausgesprochen vielfältig und umfasst alle musikalischen Genres, einschließlich Opern. Nur wenige Werke sind je auf Tonträger gelangt. Aus seinem Liedschaffen hatte sich – um seinen bekanntesten Interpreten zu nennen – Dietrich Fischer-Dieskau für eine Schallplatte der Deutschen Grammophon bedient, auf der berühmte Intertreten mit eigenen Kompositionen vorgestellt wurden, darunter auch Ferruccio Busoni, Adolf Busch und Bruno Walter. Es ist also nur zu begrüßen, wenn derartige Ausgrabungen erfolgen. Für die neue CD wurden achtzehn Lieder von Kempff ausgewählt, darunter zwei kleine Zyklen nach Gedichten von Goethe und dem Schweizer Schriftsteller Conrad Ferdinand Meyer. Sie gehörten zu den bevorzugten Autoren des komponierenden Pianisten, der seinem Lebensabend in Positano an der Amalfiküste verbrachte, wo er 1991 starb. Italien war seine Wahlheimat geworden. Folglich wandte er sich auch Verse mit italienischen Themen wie Meyers „Auf dem Canal Grande“ zu. Kempffs Tonsprache ist sehr erfindungsreich. Am ehesten erinnert sie an Hugo Wolf. Durch Auletta wird das aber nicht entfernt so deutlich wie durch Fischer-Dieskau. Er bleibt Kempff alles schuldig, hadert stimmlich mit Höhen, Tiefen und mit der deutschen Sprache, verwechselt die Lieder mit italienischen Schlagern. R.W.