.
„Ernani“ war erst die fünfte Oper von Giuseppe Verdi, wartet aber bereits mit einer Fülle von wunderschönen Melodien, mit vielen effektvollen Arien, Duetten und Terzetten sowie eindrucksvollen Chorszenen auf. Eigentlich müsste sie viel häufiger in den Spielplänen erscheinen. Das war zu Verdis Zeiten anders.
Die vorliegende Live-Aufnahme stammt vom 10. November 2022 aus dem Saal „Zubin Mehta“ im Teatro Maggio Musicale Fiorentino. Die unaufgeregte Inszenierung von Leo Muscato kommt ohne jegliche Mätzchen aus. Sie erzählt die verwickelte Handlung, bei der Elvira gleich von drei Männern begehrt wird (dem Banditen Ernani, dem König Don Carlo und dem Adligen Don Ruy Gomez de Silva), in ruhigen Bahnen. Gemessenes Schreiten und statische Tableaus bestimmen hauptsächlich den Eindruck. Auch wenn es bei leidenschaftlicher Musik vor allem um den Schrei nach Rache und das Schmachten nach Liebe geht, findet das in der Personenführung nur moderaten Widerhall. Das Einheitsbühnenbild von Federica Parolini zeigt aus groben Brettern gezimmerte Holzwände, die bei Bedarf verschoben oder geöffnet werden können. Schauplatzwechsel werden durch variierende Lichtstimmungen und wenige Requisiten markiert. Schattenspiele an den Wänden entwickeln einen eigenen Reiz.
Bei der eher konventionellen Inszenierung kann das gute und zuverlässige Sängerensemble in Gesang und Spiel durchaus fesseln. Francesco Meli überzeugt mit schöner Phrasierung und differenziertem Gesang. Gleich mit „Merce dilette amici“ nimmt er für sich ein. Sehr berührend gelingt ihm die Todesszene. S ein lyrisches Timbre kommt gut zur Geltung. María José Siri schöpft mit ergiebigem Sopran aus dem Vollen und gestaltet die Partie der Elvira mit bebender Leidenschaft. Roberto Frontali gibt den Don Carlo mit markantem Bariton, bleibt im Ausdruck aber oft etwas steif. Seine Arie „Oh de‘verd’anni miei“ gestaltet er hingegen sehr eindrucksvoll als nachdenklichen Monolog. Vitalij Kowaljow ist mit rundem Bass ein würdevoller, unnachgiebiger Silva. Er wirkt auch durch seine ausgeprägte Bühnenpräsenz .Wenn er am Ende bedrohlich aus dem Dunklen hervortritt, denkt man an den Komtur in „Don Giovanni“.
Uneingeschränkte Freude bereitet der von Lorenzo Fratini einstudierte Chor, der seine großen Aufgaben bestens meistert. Mit viel Brio und Sinn für Dramatik leitet James Conlon das Orchester des Maggio Musicale Fiorentino. Das Feuer, das Verdi in seine Musik gelegt hat, lodert intensiv auf. Insgesamt hat man hier eine Aufführung, die bestens geeignet ist, mit diesem Frühwerk Bekanntschaft zu machen. (Dynamic 3797). Wolfgang Denker