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Orfeo hat Columbus von Werner Egk neu aufgelegt (C240032). BR – das Logo des Bayerischen Rundfunks findet sich nun auf dem Cover deutlicher herausgestellt. Bei dem Werk handelt es sich um kein herkömmliches Musikdrama. Es ist eine Funkoper, die gehört und nicht gesehen werden soll. Insofern ist sie bei einem Radiosender genau richtig. Es gibt noch einen sehr viel direkteren Bezug. Columbus war ein Auftrag des Bayerischen Rundfunks und wurde am 13. Juli 1933 erstmals gesendet. Der Sender hat seinen Namen bis heute behalten. Egk, der auch den Text verfasste, bezeichnete seinen Columbus als „Bericht und Bildnis“. Er griff auf historische Quellen über den Seefahrer zurück, der immer noch als Entdecker Amerikas gepriesen wird, obwohl das historische widerlegt ist. Gegliedert in neun Bilder ist die Handlung die nämliche. Wurden Funkopern auf der Schwelle von den zwanziger zu den dreißiger Jahren zunächst als Bearbeitungen von herkömmlichen Werken mit Erzähler für das neue Medium verstanden, bildete sie sich schließlich als eigene Gattung heraus. Ein solches Werk sollte wie ein Hörspiel also ganz bewusst ohne die Darstellung auf einer Bühne auskommen.
Im Booklet findet sich ein sehr informativer Text der Musikwissenschaftlerin Helga-Maria Palm. Darin wird auch die Geschichte der Funkoper umrissen. Der aus Bayern stammende Egk empfing seine ersten Eindrücke für die neue musikalische Form im Berlin, wo er auch 1928 die Uraufführung der Dreigroschenoper von Brecht und Weill miterlebte. Sein großes Vorbild aber sei Oedipus Rex von Stravinsky gewesen, heißt es. Führe dort ein Sprecher durch das Stück, so dramatisiere Egk die Idee des Kommentators. „Die musikalische Konzeption basiert auf dem Wechsel von chorischen, solistischen und instrumentalen Episoden.“ Neun Jahre nach der Erstsendung sei Columbus 1942 ein echter Opernheld geworden. „Hans Konwitschny dirigierte in Frankfurt die Bühnenfassung; ein legitimer, aber zweifelhafter Versuch.“ Denn auf der Bühne müsse der experimentelle Charakter des Werkes, die szenisch-dramatischen Vorgänge allein durch das Hören glaubhaft zu machen, verloren gehen, so die Autorin, der ein kleiner Irrtum unterlief. Konwitschny, damals Musikdirektor und musikalischer Leiter des Frankfurter Opernhauses, hieß Franz. Er und der Komponist sollten sich nicht mehr aus den Augen verlieren. 1957 kam Egk auch nach Ostberlin, wo an der Staatsoper Unter den Linden, Konwitschny – inzwischen deren Generalmusikdirektor – seinen Revisor dirigierte. Peer Gynt folgte 1961 kurz vor dem Bau der Mauer.
Mit den Worten der Musikwissenschaftlerin zurück zur Funkoper: „Der Hörer sollte mit den modernen technischen Mitteln zu einem aufregenden Hörerlebnis gelangen. Die technisch-akustischen Möglichkeiten eröffneten zusätzliche Aktionsebenen. Textverständlichkeit war am wichtigsten.“ Als Egk im Januar 1963 im Herkulessaal der Münchner Residenz das Werk unter Studiobedingungen aufnahm und dabei selbst dirigierte, fand er ein erlesenes Ensemble vor, das diese Bedingungen zu erfüllen in der Lage war. In der Titelrolle der österreichische Bariton Ernst Gutstein, mit der Interpretation zeitgenössischen Werke genauso erfahren wie Fritz Wunderlich als König Ferdinand. Sie hinterlassen die stärksten Eindrücke, so dass man sich vornimmt, wieder mehr solche Musik zu hören. Wolfgang Anheisser (Dritter Rat), Max Pröbstl (Mönch) und Friedrich Lenz (Vorsänger) gehören mit dem Schauspieler Rolf Boysen ebenfalls zum Ensemble. Was die beschworene Textverständlichkeit angeht, ist die argentinische Sopranisten Lia Montoya als Königin Isabella nicht perfekt besetzt. Es scheint ihre einzige offizielle Aufnahme zu sein. Lediglich auf einem der Sopranistin Liane Synek gewidmeten LP-Album von Melodram ist sie 1962 in Köln noch als Sophie im Schlussterzett des Rosenkavalier neben Hanna Ludwig als Octavian zu hören. Rar wie ihre Dokumente sind die biographischen Angaben. Die einschlägige Literatur und das Netz geben sich so zugeknöpft wie das Booklet, in dem auch darauf verzichtet wurde, die abgebildeten Sänger zu benennen, die bei einer szenischen Columbus-Aufführung am 3. Mai 1960 im Prinzregententheater mitwirkten. Rüdiger Winter