Die unendliche Geschichte …

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Mit bewundernswertem Engagement setzt naïve ihre Vivaldi-Edition fort, die mittlerweile auf 70 Ausgaben angewachsen ist. Jüngste Veröffentlichung, die Serenata a tre, ist eine besondere Rarität, sind von Vivaldis acht Serenate doch nur drei erhalten. Die vorliegende Komposition wurde in einer einzigen Handschrift in Turin aufbewahrt. Es handelt sich um eine dramatische Kantate, die Vivaldi für die Hochzeit eines Freundes schrieb. Dieser französische Aristokrat heiratete 1718 eine einfache Frau aus dem Volke, doch musste dieses Liebesbündnis wegen des sozialen Unterschiedes der Eheleute heimlich und in privatem Rahmen geschlossen werden. Vermutlich erklang das Werk erstmals im Frühjahr 1719 in oder bei Venedig anlässlich einer Hochzeitsnachfeier.

Die Serenata a tre ist einer arkadischen Welt angesiedelt und vereint (gemäß dem Titel) drei Protagonisten – die Nymphe Eurilla, die sich von der Schönheit des Schäfers Alcindo bezaubern lässt, und Nice, die ihre Freundin Eurilla vor dem leichtfertigen und zynischen Mann warnt.

Vivaldis Musik ist delikat, leichtfüßig und sehr virtuos. Dem Orchester hat der Komponist farbige Klänge zugeordnet, wozu Oboen, Fagotte und Trompeten beitragen. Am Cembalo leitet Andrea Buccarella die Einspielung mit dem Abchordis Ensemble und sorgt für ein vibrierendes, kontrastreiches Klangbild.

Das Solistentrio führt die Sopranistin Marie Lys als Eurilla an, die bereits erfolgreich in der Vivaldi-Edition von naïve mitgewirkt hat. Sie beginnt die Komposition, welche keine Ouvertüre hat, mit der maßvollen Aria „Mio cor“ und bezaubert sogleich mit ihrer leuchtenden Stimme und dem innigen Ausdruck. Auch die zweite Aria des Werkes, „Con i vezzi lusinghieri“, ist ihr zugeteilt, und die Sängerin kann in dieser bewegten Nummer mit lebhaftem Vortrag wiederum reüssieren. „Se all’estivo ardor cocente“ ist dagegen ein Ruhepunkt von lieblichem Anstrich. Von Blechbläsern wird „Alla caccia  d’un core spietato“ martialisch eingeleitet und Lys kann hier vehement auftrumpfen. Kokett tupft sie „La dolce auretta“ in der Parte Seconda, während sie im letzten Solo der Komposition, „Vorresti lusingarmi“, mit schier endlosen Koloraturläufen noch einmal ein bravouröses Glanzlicht setzen kann.

Die Mezzosopranistin Sophie Rennert gibt die Nice und mit dem lebhaften „Digli che miro almeno“ einen überzeugenden Einstand. Die Stimme ist obertonreich und kultiviert. Am Ende der Parte Prima kann sie bei „Ad inflammar quel seno“, das von einem virtuosen Violinsolo begleitet wird, mit langen Koloraturgirlanden brillieren. Energischen Anstrich hat das „Di Cocito nell’orrido regno“ in der Parte Seconda, im Mittelteil aber einen betörend lyrischen Einschub, und die Sängerin kann hier überzeugend ihre Vielseitigkeit demonstrieren.

Der Tenor Anicio Zorzi Giustiniani komplettiert die Besetzung als Alcindo. Sein Auftritt „Mi sento in petto“ ist von buffoneskem Duktus, die folgende Aria „Nel suo carcere ristretto“ dagegen von stürmischer Art. Kontrastreich auch seine Soli in der Parte Seconda – dem wiegenden „Acque placide“ folgt ein energisches „Dell’alma superba“.

Die Einspielung entstand im Juni 2022 in Riehen/Schweiz und wurde auf einer CD veröffentlicht (OP 7901). Bernd Hoppe