Max von Schillings  „Pfeifertag“

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Und noch eine Oper aus der Schatzkiste Ingolf Huhns, bis 2021 Intendant am Ernst-von Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz und nun neuer Künstlerischer Leiter des Festivals Greizer Theaterherbst, ehemaliger Theaterleiter in Döbeln, Plauen Freiberg und anderen Häusern Mitteldeutschlands. Wir haben ja Ingolf Huhn genügend dicke Kränze bei operalounge.de gewunden um ihn noch näher vorzustellen zu müssen. In den Achtzigern bin ich ihm buchstäblich nachgereist, um diese vergessenen Trouvallien aus der Opernliteratur der Jahrhundertwende kennenzurlernen. Klar, es waren nicht Gala-Aufführungen in Paris oder London, aber es waren eben solche, in denen ein hochengagiertes Ensemble diese Werke mit Gewinn zum Leben erweckte. Und Huhns konservative Optik half diesen sehr zeitverhafteten Opern mehr als die meisten heutigen Vergewaltigungen, die die Handlung bis zur Unkenntlichkeit zurücktreten lassen. Mit Ingolf Huhn stieg – angesichts der oft langweiligen und vorhersehbaren Spielpläne der großen Bühnen – meine Hochachtung vor der „Provinz“ wieder einmal.

Zu Max von Schillings „Pfeifertag“/ Porträt des Komponisten/ Wikipedia

In Plauen also gab es 2006 den Pfeifertag von Max von Schillings, und auch da lohnte sich die Reise in die ehemalige Stadt der Spitzenindustrie mit ihren eindrucksvollen wilhelminischen Bürgerhäusern und dem hübschen kleinem Stadtkern. Nachstehendes nun zum Komponisten und zum Werk, leider gibt’s – außer bei Sammlern – kein Ton-Dokument dazu… 1907 nahm Schillings das Hexenlied und das Vorspiel zum III. Akt auf Rollen für das Reproduktionsklavier Welte-Mignon auf, inzwischen auf CD zum Leben erweckt. Das Vorspiel wurde sogar 1903 bei der BBC aufgenommen. Auch der „Trauermarsch“ aus dem 3. Akt erfreute sich vor dem Krieg längerer Zeit als Konzertstück Beliebtheit. G. H.

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Annelen Hasselwarder schreibt im Programmheft zur Aufführung in Plauen: Max Schillings wurde am 19. April 1868 in Düren in der Eifel geboren. Er stammte aus einem wohlhabenden Elternhaus und wuchs auf einem hochherrschaftlichen Gutshof auf. Sein Vater Carl Schillings, Landwirt und Jager, war ein eher pragmatisch veranlagter, unmusikalischer Mensch; seine Mutter Johanna dagegen, stolz darauf, eine geborene Brentano zu sein, war feinsinnig und sehr gebildet. Sie erkannte die hohe musikalische Begabung ihres zweiten Sohnes und förderte sie. So erhielt Max Schillings sehr früh Violinunterricht. Das Klavierspielen brachte er sich selbst bei.

Zu Schillings „Pfeifertag“: Hermann Zumpe war der Dirigent in der Schweriner Uraufführung/ Wikipedia

Mit zwölf Jahren absolvierte Max Schillings seinen ersten Konzertauftritt, mit dreizehn vollendete er eine erste Komposition für Violine und Klavier. Der Besuch einer Parsifal-Vorstellung in Bayreuth ließ den Vierzehnjährigen zu einem glühenden Verehrer Richard Wagners werden. 1889 ging Max Schillings nach München, um auf den dringenden Wunsch seines Vaters Jura zu studieren. Doch bereits ein Jahr später gab er dieses Studium auf und versuchte, sich in München als Komponist zu etablieren. Er gehörte zum Kreis der jungen Münchner Modernen um den Doyen des Münchner Musiklebens, Alexander Ritter, in dem er außer Ludwig Thuille und Richard Strauss auch Ferdinand Graf Sporck kennenlernen sollte, den Librettisten sei­ner beiden ersten Opern Ingwelde und Der Pfeifertag.

Zu Max von Schilligs „Pfeifertag“/ Ferdinand Graf von Sporck, der Librettist/ Walchensee Museum

Sporck stammte aus Böhmen, war Schriftsteller und Librettist und war wie Schillings Wagnerianer. Schon als Schüler hatte er den Fliegenden Holländer ins Tschechische übersetzt. Mit Richard Strauss verband Max Schillings bald eine lebenslange Freundschaft. 1891 wurde der junge aufstrebende Musiker Assistent in Bayreuth. Wahrend dieser acht Monate lernte er zum Beispiel den Dirigenten und Komponisten Felix Mottl kennen, traf Engelbert Humperdinck wieder, den er schon aus der Gymnasialzeit kannte, spielte abends mit Cosima Wagner vierhändig Klavier, dirigierte die Waldhörner im Tannhäuser und durfte zusammen mit Humperdinck die Parsifal-Glocken schlagen. Im selben Jahr heiratete Schillings seine Cousine Caroline Peill und siedelte mit ihr zusammen endgültig nach München über. 1894 wurde Schillings‘ erste Oper Ingwelde in Karlsruhe uraufgeführt. Der Erfolg war derart groß, dass Max Schil­lings praktisch über Nacht mit 26 Jahren ein bekannter Komponist war.

Fünf Jahre danach folgte mit den Pfeifertag die zweite aufsehenerregende Uraufführung. Das Melodram Das Hexenlied aus dem Jahr 1902 steigerte Schillings‘ Bekanntheitsgrad noch weiter. 1906 wurde die Oper Moloch nach einem Dramenfragment von Christian Friedrich Hebbel in Dresden uraufgeführt.

1907 war ein Eintrag über Schillings in Meyers Konversationslexikon zu finden. Dort stand zu lesen, dass er „zu den besten Vertretern der Wagnerschen Schule“ gehöre. Im selben Jahr ging er als Kapellmeister an die Hofoper in Stuttgart. Ein Jahr später wurde er dort Generalmusikdirektor. Er blieb bis zum Ende des 1. Weltkrieges. 1912 wurde er in den Adelsstand erhoben.

Im Jahr 1915 wurde in Stuttgart von Schillings‘ viertes Opernwerk Mona Lisa uraufgeführt. Die Titelpartie sang die Sopranistin Bar­bara Kemp, die sieben Jahre später Max von Schillings‘ zweite Ehefrau wurde.

Zu Max von Schilligs „Pfeifertag“/ Szene Aufführung Plauen/ Huhn

Den Hohepunkt seiner Karriere bedeutete fur Max von Schillings die Intendanz der Preussischen Staatsoper Unter den Linden, die im Jahr 1919 begann. Seine an sich sehr erfolgreiche Direktion wurde jäh beendet, als er 1925 nach heftigen Querelen mit dem Kultusministerium iiber Etat- und Gagenfragen fristlos entlassen wurde. Der Skandal war so heftig, daft „der Fall Schillings“ sogar im Preussischen Landtag verhandelt wurde. Resigniert zog sich von Schillings zurück und horte auf zu komponieren. Erst 1932 kehrte er ins öffentliche Leben zuriick, als er zum Prasidenten der Preussischen Akademie der Künste gewählt wurde. Nach der “Machtergreifung” Hitlers im Jahr 1933 versuchten die Nationalsozialisten, Max von Schillings fur sich zu vereinnahmen. Im selben Jahr berief ihn die Stadt Berlin zum Intendanten der Städtischen Oper Charlottenburg. Wenige Monate danach, am 24. Juli 1933, starb Max von Schillings unerwartet an einer Lungenembolie nach einer Operation. Sein Tod löste Bestürzung in der deutschen Musikwelt aus.  

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Zu Schillings „Pfeifertag“: Marie Gutheil-Schoder sang die Alheit in der Uraufführung/ Wikipedia

Bereits während der Arbeit an Ingwelde, Schillings‘ erstem grossem Opernerfolg, machte ihn sein Librettist Ferdinand Graf Sporck im Mai 1893 auf den Stoff des „Pfeifertages“ aufmerksam. Sporck hatte die Legende vom Pfeiferkönig von Rappoltstein, die ihm für eine heitere Oper brauchbar erschien, in den elsässischen Sagenbüchern von Wilhelm Hertz entdeckt. Schillings war zunächst begeistert: „Ich darf aufrichtig sagen, dass ich fast eine schlaflose Nacht hatte vor Riesenfreude über den einzig herrlichen Pfeiferkonig.“ So schrieb er in einem Brief an Sporck. Zwei Jahre später begann Schillings im Mai 1895, sich genauer mit Sporcks Libretto zu befassen. Dabei verflog seine anfängliche Begeisterung offenbar schnell: „Ich muss mir nun das ganze Werk bis ins einzelne auf die musikalische Oekonomie hin zerlegen und zergliedern, und dann wird ein ausführlicher und offenherziger Wunschzettel an Dich abgehen für den ich täglich Notizen sammle.” schrieb er an Sporck im Juni 1899. über drei Jahre, bis zum Sommer 1899, dauerte die Arbeit an der Komposition. Dabei musste das Libretto auf Schillings‘ Wunsch immer wieder verändert werden. “Am 22. August habe ich den letzten Doppelstrich in der Partitur gemacht und dreimal laut Amen gerufen.“, meldete der Komponist seinem Librettisten in einem Brief.

Der Pfeifertag war die letzte Arbeit von Schil­lings und Sporck. Die Uraufführung fand am 26. November 1899, also wenige Monate nach der Fertigstellung, am Hoftheater Schwerin statt. Es dirigierte Hermann Zumpe, dem das Werk auch gewidmet ist. Regie fuhrte der mit Schillings befreundete Sanger und Regisseur Hermann Gura. Schillings‘ Musik wurde begeistert aufgenommen. Das Libretto allerdings wurde oft kritisiert. Richard Strauss zum Beispiel schrieb an Schillings: „Deine Musik ist famos: wollte Gott, ich konnte von Herzen dasselbe von den Sporckschen Versen sagen.“ 1930 erarbeitete Max von Schillings für eine Inszenierung an der Ber­liner Staatsoper unter dem Dirigat von Erich Kleiber eine Neufassung des Pfeifertages, in der er kleinere Veränderungen vor allem im 3. Aufzug vornahm. Annelen Hasselwander

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Zu Schillings „Pfeifertag“:Karl Zeller (hier als Tannhäuser) sang den Velten 1899 in Weimar/ Wikipedia

Dazu auch Christian Detig ebenfalls im Programmheft: Musikalisch erschienen die Anklänge an das Vorbild Richard Wagners nicht ganz so offenkundig. Durch den Rückgriff auf mittelalterliche Melodien zum Beispiel versuchte Schillings eine eigene Farbe für das Stuck zu finden. Die zeitgenössischen Kritiker machten denn auch zum erstenmal einen spezifischen Schillings-Ton aus. In der „Berliner Börsen-Zeitung“ heißt es: „Diese Musik hat, wenn nicht ihren eigenen Stil, so doch ihre besondere Physiognomie. Der Wagnersche Stil ist darin nicht einfach kopiert, sondern in eigener origineller Weise fortgebildet, in einer Weise, die überall eine ausgesprochene Individua­list erkennen lässt.“ Zum erstenmal begegnet uns anlässlich der Berliner Erstaufführung auch jenes Etikett, das in Urteilen über Schillings‘ Kompositionen zur feststehenden Redewendung werden wird: Die „Vossische Zeitung“ spricht von einem überaus „vornehmen Werk“. Die Vorschusslorbeeren anlässlich der Ingwelde hatten sich bestätigt. Mit dem Pfeifertag gehörte Schillings nun endgültig in die erste Reihe der fortschrittlichen Komponisten. Mit nur zwei Opern und zwei größeren symphonischen Werken hatte Schillings in wenigen Jahren eine rasante Karriere gemacht. In einem Atemzug wurde er nun mit Strauss und Pfitzner genannt, der den Pfeifertag überschwenglich begrüßte als „eines der seltenen Werke, die in ihrer zeitlichen Folge jenes Ewige darstellen, was man schlecht und ungenau etwa den deutschen Geist nennen konnte.“ Und Engelbert Humperdinck flachste ironisch, dass ihn nach dem Pfeifertag nun der Ehrgeiz plage, ein zweiter Schillings zu werden.“

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Zu Schillings „Pfeifertag“: Karl Erb (hier als Don Manuel de Guzman von Walter Braunfels, 1907 in Ravensburg) sang den Velten in Stuttgart/ Historicaltenors

Zum Inhalt – Wilhelm Hertz im Spielmannsbuch: Es war eine eigenthümliche Einrichtung des Mittelalters, dass einzelne vornehme Herren mit der Schutz- und Gerichtsherrschaft über gewisse Gewerbe belehnt waren. So standen die elsässischen Spielleute nach altem Rechte unter dem Herrn von Rappoltstein. Dieser als der oberste Pfeiferkönig (auch die Vorstände der Spielmannsinnungen freuten sich des stolzen Konigstitels) wählte einen Stellvertreter aus der Zahl der Spielleute, dem er zugleich den Königstitel übertrug. Alle Jahre, am Dienstag nach Maria Geburt, fand zu Rappoltsweiler der Pfeifertag statt. Da zogen der Pfeiferkönig und hinter ihm her in langer Reihe die Mitglieder der Bruderschaft zur Kirche unserer lieben Frau von Dusenbach, wo das wunderthatige Gnadenbild der vielgepriesenen Schutzpatronin der fahrenden Leute sich befand. Nach der Messe wandte sich der Zug zum herrschaftlichen Schlosse, wo dem Schutzherrn mit einem Konzert gehuldigt wurde, wofür die Schlossbeamten trefflichen Wein spendeten. Dann ging es ins Gasthaus zur Sonne. Hier wurde das Gericht gehalten, Streitigkeiten geschlichtet und die Angelegenheiten der Bruderschaft besprochen. Der letzte Pfeifertag wurde gefeiert im Jahre 1789. In den Stürmen der Revolution ging auch dieser Rest fröhlichen Mittelalters in Trümmer. Der letzte, oberste Pfeiferkönig war Maximilian Joseph von Pfalz-Zweibrücken, der spätere König von Bayern.

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Vorgeschichte:   Rappoltsweiler im 15. Jahrhundert. Die Grafen von Rappoltstein sind als Obrigkeit und Schutzherren für alle fahrenden Spielleute im Elsass eingesetzt, und Schmasmann von Rappoltstein nimmt sich dieser Aufgabe auch gem und engagiert an. Was ihm Kummer bereitet, ist, daft sein Sohn Ruhmland so sehr von der Kraft der Musik ergriffen worden ist, dass er nicht nur der Beschützer der Musiker, sondern selber fahrender Spielmann sein wollte. Im Zorn hat er ihn deshalb vor Jahren verbannt; seine Tochter Herzland hingegen liebt heimlich Velten Stacher, einen jungen, aufrührerischen Spielmann, der aus der Fremde ins Elsass gekommen ist und hier gegen die hergebrachten Regeln im Pfeiferwesen kämpft. Jedes Jahr Anfang September versammeln sich die fahrenden Musiker in Rappoltsweiler zum Pfeifertag, wo die Verbandsgeschäfte besprochen werden, eine gemeinsame Prozession zur Marienkapelle im nahegelegenen Dusenbachtal unternommen wird und wo der Lehnsherr Gericht hält.

Grabplatte für Max von Schillings in der 1828 erbauten klassizistischen Gruftenhalle in Form einer Galerie auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am Main /Foto Georg Hart

Erster Aufzug: Der Pfeifertag beginnt wie jedes Jahr vor Sonnenaufgang mit dem Vortrag der Einsetzungslegende. Wahrend die Pfeifer dann zur Kapelle Unserer Lieben Frau von Dusenbach ziehen, bleibt der Pfeiferrat – vier gewählte Vorstände mit dem Unterpfeiferkönig Jockel an der Spitze – zurück und bespricht die Chancen, auch in diesem Jahr wiedergewählt zu werden. Sie befürchten Konkurrenz von den jungen Pfeifern, die hier jetzt offenbar nach der Macht streben: Velten Stacher mit seiner Agitation gegen den Pfeiferzoll, eine kleine Abgabe, die jeder Musiker einmal im Jahr zu entrichten hat, und ein allen bisher unbekannter junger Spielmann mit Namen Rasbert.

Der Pfeiferrat läuft der Prozession nach und der Lehnsherr, Graf Rappolt­stein, inspiziert mit seiner Tochter die Vorbereitungen zum Festtag. Sein Behagen über das schon Geglückte seiner Bemühungen der letzten Jahre für die Stellung und Lebensumstände der Musiker währt nicht lange; Herzland erklart ihm, daft sie Velten heiraten wolle oder in den Tod gehen. Nachdem der Vater wütend gegangen ist, zaubert Herzlands Freundin Alheit Velten und den Bruder Ruhmland aus einem Versteck im Graben hervor, und die Paare liegen sich in den Armen, denn auch Ruhmland und Alheit gehören zusammen. Gemeinsam entsteht der Plan, die Einwilligung des Vaters zur Verbindung von Herzland und Velten dadurch zu erreichen, dass Veltens Tod vorgetäuscht werden und in der Trauer und den lobenden Nachreden der Vater für ihn eingenommen werden solle. Rappoltstein, der jetzt auf die jungen Leute trifft, befragt Velten, ob er endlich seine Meinung zum Pfeiferzoll geändert habe, aber Velten versucht ihm in einem Liede klarzumachen, daft von alters her die Sänger immer ganz nah bei den Fürsten gewesen und eigentlich ihnen ebenbürtig seien.

Zu Schillings „Pfeifertag“/ Programmzettel Weimar 1900/ Wikipedia

Die Pfeifer kehren von der Prozession zuriick und die große Versammlung beginnt mit einer Huldigung. Rasbert, der unbekannte junge Mann, in dem Rappoltstein den eigenen Sohn noch nicht erkennt, singt ein Lied von der Macht der Musik, ein Lied von der Rabenschlacht mit Dietrich von Bern, bei der Rappoltsteins Vorfahr nur durch seine Pfeifer gewonnen habe. Er endet aber seinen Gesang mit einer Klage, dass der Stamm dieses Geschlechts nun aussterben werde, da der einzige männliche Erbe ja verbannt und in der Fremde sei.

Um Rappoltsteins nahenden Unmut zu vertreiben, wird Velten aufgefordert, rasch weiterzusingen, und er singt nun ein Paradieslied, ein Lied von Adam und Eva als Musikanten, die aus dem Garten Eden vertrieben worden seien, weil sie zu klein musiziert hatten. Und in einer ebenso kühnen Wendung schließt er, dass dadurch der Spielmann dem Edelmann, dem Fürsten, jedem Edelmann verwandt sei. Das verärgert Rappoltstein nun vollends; er geht wütend fort, und der Beginn des Pfeifertages endet im Eklat.

Zweiter Aufzug: Velten sinniert in einem großen Monolog über das unstete, dornenreiche Schicksal der fahrenden Spielleute und schläft dabei ein. Die anderen drei jungen Leute finden ihn; unter den Planungen für den vorzutäuschenden Tod werden sie vom Vater überrascht, der seine Tochter zur Rede stellen will und sich im Zorn zu der Versicherung hinreißen lafk, notfalls würde er Herzland mit Velten auch im Tode verheiraten. Das lässt sich Alheit schnell durch einen Handschlag bestätigen.

Die Gerichtsversammlung beginnt und der Unterpfeiferkönig Jockel berichtet über die Lage der Musiker im Land, auch über das Eindringen neuer, fremder Weisen, an denen alle viel Freude hatten. Das provoziert Ruhmland, der noch immer unerkannt ist und für alle Rasbert heißt, zu einer scharfen Erwiderung, in der er auf sehr abweisende Art vor fremden Schmarotzern und Kletten im heimischen Pfeiferwald warnt und beklagt, daft man der eigenen Spielleute Scherz und Schmerz am liebsten das Herz versage und statt dessen den Fremden sich zum Wirte wähle. Und mit den Worten „0 raubt uns nicht die starke Macht, den Glauben an das, was wir selbst erdacht!“ und „Verstoßt nicht länger Eure Söhne, lasst künden Euch in reiner Schöne aus ihres Herzens Überschwang, was tief in ihrer Seele klang!“ singt er ein Triumphlied auf „Spielmannswonne, Spielmannsnot, zeugungsgewaltiges, wundergestaltiges Machtgebot“. Damit sind die Kampfpositionen klar. Velten aber greift jetzt zu unredlichen Mitteln und denunziert Jockel, er habe Geld aus der Kasse der Pfeifer unterschlagen. In den wütenden Protest Jockels und die beginnende Prügelei hinein bricht ein gewaltiges Unwetter, das das ganze Wirtshaus anzuzünden und fortzuschwemmen droht. Als es kaum noch keinen Ausweg zu geben scheint, beschwören alle Velten, ihnen einen Weg aus dem Haus heraus zu bahnen; Velten steigt aus dem Fenster und ein direkt dabei einschlagender Blitz scheint ihn erschlagen zu haben.

Intendant und Musikarchäologe Ingolf Huhn/Foto Hihn/EVWT

Dritter Aufzug: In die Trauerzeremonie für Velten hinein tritt Herzland als Braut. Sie zwingt den Vater, sein Wort zu halten und sie mit dem Toten zu vermählen. Tatsächlich werden nun ruhmvolle Nachreden auf Velten gehalten, und selbst Jockel kann nur Gutes von ihm berichten. Als Rappoltstein, ratlos, den toten Bräutigam fragen muss, ob er Herzland zur Frau wolle, springt Velten quicklebendig auf und sagt Ja. Zwischen Entsetzen, Staunen und Freude muss Rappoltstein erkennen, daft er besiegt worden ist und er nun nur noch den Wunsch hat, den verlorenen Sohn wiederzufinden. Diesen Wunsch kann ihm Rasbert erfüllen: Er geht Verzeihung erbittend auf die Knie; und mit den Worten „ Vater, hier bin ich“ nimmt er seinen falschen Bart ab und ist wieder zu Hause. Rappoltstein, am Ende, befreit die fahrenden Musiker vom Pfeiferzoll, aber das ist schon nicht mehr so wichtig. Annelen Hasselwander

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Theater Plauen-Zwickau (2. 6. 2006) Der Pfeifertag; Ein Spielmannsscherz in drei Aufzügen; Dichtung von Ferdinand Graf Sporck Musik von Max von Schillings; Opernchor des Theaters Plauen-Zwickau; Es spielt das Philharmonische Orchester Plauen-Zwickau; Robert-Schumann-Preisträger; Musikalische Leitung-Georg Christoph Sandmann ; Inszenierung-Ingolf Huhn; mit Hagen Erkrath; Gessler; Guido Hackhausen; Katrin Kapplusch/Uta Simone u. a./ Abbildung oben: Èdouard Manet: Pfeiferjunge/ Musée d´Orsay/Wikipedia/ Bisherige Beiträge in unserer Serie Die vergessene Oper finden Sie hier