Ein französischer Liebestrank

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Eine kaum mehr für möglich gehaltene Renaissance erlebt seit einigen Jahren der französische Opernkomponist Daniel-François-Esprit Auber, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts über die Grenzen Frankreichs hinaus hochpopulär. Großen Anteil an dieser Wiederentdeckung hat das Label Naxos, welches mit der modernen Erstaufführung von Le Philtre (Der Liebestrank) einen weiteren Coup landen kann (Naxos 8.660514-15). Zu verdanken ist diese Einspielung den Rossini-Festspielen in Bad Wildbad, die sich dankenswerterweise auch vermehrt der Zeitgenossen dieses Komponisten annimmt. Tatsächlich ist diese am 20. Juni 1831 am Théâtre de l’Opéra (und somit nicht an der Opéra-Comique) in Paris uraufgeführte zweiaktige Oper gewissermaßen das Original des viel berühmteren Elisir d’amore von Donizetti und erlebte in Paris bis 1862 insgesamt nicht weniger als 243 Aufführungen, was für die große und anhaltende Beliebtheit des zweistündigen Werkes beim Pariser Publikum spricht. Das Libretto steuerte, wie so häufig, der Routinier Eugène Scribe bei. Ähnlich wie beim Maskenball und bei Manon Lescaut wurden Aubers Fassungen der jeweiligen Stoffe später durch andere Komponisten verdrängt. Dies ist keineswegs durch mangelhafte Qualität erklärlich, wovon die insgesamt sehr adäquat besetzte Bad Wildbader Aufführung zeugt.

Die Geschichte ist weithin geläufig, auch wenn die Namen der Akteure bei Auber anders lauten. Der Tenor Patrick Kabongo gibt einen splendiden Guillaume und ist in diesem Genre erkennbar gut aufgehoben. Im Sopranpart der Térézine ist Luiza Fatyol zu hören, die mit hörbarer Spielfreude agiert. In den weiteren Partien schließlich, sämtlich stilgerecht und rollendeckend, der Bariton Emmanuel Franco als Joli-Cœur, der Bassist Eugenio Di Lieto als Fontanarose sowie die Sopranistin Adina Vilichi als Jeannette. Als Dirigent zeichnet mit dem notwendigen Gespür verantwortlich Luciano Acocella an der Spitze des Philharmonischen Chors und Orchesters Krakau. Die klanglich trotz der Live-Situation zufriedenstellende Einspielung entstand zwischen dem 13. und 15. Juli 2021 in der Offenen Halle Marienruhe in Bad Wildbad. Die deutschsprachige Textbeilage von Paolo Fabbri fällt informativ aus, das Libretto ist mittels Weblink zumindest auf der Naxos-website im Netz abrufbar, allerdings nur auf Französisch und ohne Übersetzung. In jedem Falle eine willkommene Ergänzung der immer breiter aufgestellten Auber-Diskographie. Daniel Hauser