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Nicht weniger als drei Stars versammelt die neue Theodora bei Erato, die im September 2021 in der Philharmonie Essen aufgenommen und auf drei CDs veröffentlicht wurde (5054197177910). Auch das begleitende Ensemble Pomo d’Oro hat längst den Status eines Ausnahmeorchesters erzielt. Es ist bei allen großen Barock-Festivals und internationalen Aufführungen dieses Genres vertreten, zumeist unter Maxim Emelyanychev, der auch bei dieser Aufnahme am Pult stand. Er garantiert eine lebendige Lesart dieses 1750 uraufgeführten Oratoriums, das der Komponist selbst als sein bedeutendstes einstufte. Es fußt nicht auf einem alttestamentarischen Stoff, sondern erzählt die Geschichte einer standhaften Christin im Römischen Reich, die als Märtyrerin endet. Der Dirigent breitet die g-Moll–Ouverture gravitätisch aus, setzt im hurtigen Allegro-Thema einen gewichtigen Kontrast, um im Trio fein ziselierte instrumentale Details hören zu lassen. Seine beherzte Leitung animiert die Solisten und den Chor zu bedeutenden Leistungen.
In der Titelrolle überzeugt Lisette Oropesa, die sich neben dem Belcanto-Repertoire (Rossini in Pesaro, Bellini in Salzburg) auch dem Barock widmet. Ihr warmer, sinnlicher Sopran berührt schon im Auftritt, „Fond, flatt’ring world, adieu“, mit einer ganzen Skala von Gefühlen. Im Accompagnato „O, worse than death inded“ und im folgenden Air „Angels, ever bright and fair“ am Ende von Part I kann sie wiederum mit reichem emotionalem Einsatz aufwarten. Im zweiten Teil hat sie mit „The pilgrim’s home“ ein wunderbares Solo von großem Empfinden.
Joyce Di Donato ist eine Ikone in Sachen Händel, singt gleichermaßen seine Sopran- wie Mezzo-Partien. Ihre Irene berührt durch innigen Ausdruck in den vor allem getragenen Arien, doch weiß sie sich enorm zu steigern in dramatischen Momenten. Das erste Air, „Bane of virtue“, ist von lebhaftem Charakter, das zweite, „As with rosy steps the morn“, gefühlvoll, „With darkness deep“ in Part II ergreifend in seiner Schlichtheit. Auch „Defend her“ und „Lord, to thee each night and day“ sind getragene Airs, welche die Sensibilität der Interpretin herausstellen. Letzteres hat einen bewegten Mittelteil mit Koloraturläufen, welche die Bravour der Sängerin belegen. Mit der Titelheldin hat sie in Part III ein dynamisches Duet „Whither, Princess“. Schier unendlich ist das Repertoire des Tenors Michael Spyres, der den römischen Offizier Septimius singt. Seine noble Stimme entfaltet sich eindrucksvoll im ausgedehnten Air „Descend, kind pity“, trumpft im an Koloraturen reichen „Dread the fruits“ energisch auf und imponiert auch im resoluten „Tho’ the honours“ in Part II. Von heiterer Ausgelassenheit ist das verzierte „From Virtue springs each gen’rous deed“ – ein schöner Kontrast zu den heroischen Nummern.
Septimius’ Freund, der Römer Didymus, der Theodora liebt, ist der Counter Paul-Antoine Bénos-Dijan. Sogleich in seiner lieblichen Auftrittsarie „The raptured soul“ lässt er eine weiche, empfindsame Stimme hören und auch bei „Kind Heav’n“ am Ende des ersten Teils weiß er sich mit schwebenden Tönen wirkungsvoll in Szene zu setzen. Im wiegenden Air „Deeds of kindness“ in Part II tupft er die Töne besonders sanft. Eine seiner berühmtesten Nummern ist das kosende „Sweet rose and lily“ und am Ende des zweiten und dritten Teils hat er mit Theodora Duets, „To thee, thou glorious son of worth“/“Streams of pleasure“, in welchen sich beide Stimmen harmonisch verblenden. John Chest als römischer Präsident Valens komplettiert die Besetzung. Er eröffnet die Handlung mit dem Air „Go, my faithful soldier, go“, in welchem er mit resolutem Bass aufwartet, der sich auch in der Höhe als souverän erweist. Mit wilder Erregtheit, rasenden Koloraturen und herausgeschleuderten Spitzentönen kommt „Cease, slaves“ im letzten Teil daher.
Il Pomo d’Oro Choir (Leitung: Giuseppe Maletto) hat mit „And draw a blessing down“ seinen ersten Einsatz, den er engagiert und wohllautend absolviert. Dem Chor fällt in diesem Werk eine bedeutende Rolle zu Nach dem gewichtigen „All pow’r in Heav’n above“ beendet er den Part I mit dem verinnerlichten „Go, gen’rous, pious youth“. Im zweiten Teil singt er am Ende jenen Chorus, den Händel noch über das „Halleluja“ des Messiah stellte: „He saw the lovely youth“. Nach introvertiertem Beginn wechselt dieser zu lebhaftem Ausbruch. Und dem Chor gehört auch der letzte Auftritt – „O love divine“ führt das Werk zu erhabenem Schluss. Bernd Hoppe