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Nichr nur solistisch, sondern auch als „Duo contraste“ machten die beiden Franzosen, Tenor Cyrille Dubois und Pianist Tristan Raes, bereits mit Wettbewerbserfolgen und Konzerten weit über die Landesgrenzen hinaus auf sich aufmerksam. Mit der Herausgabe der gesamten Liedkompositionen Gabriel Faurés, des führenden Meisters dieses Genres in Frankreich, haben sie nun einen vorgezogenen Beitrag zu dessen 2024 anstehendem 100.Todestag geleistet. Es ist schon wagemutig, die 103 Lieder, die für verschiedene Stimmen und Tonlagen geschrieben wurden, mit nur einem Sänger aufzuführen, fehlen doch bei den Liedern für Frauenstimmen manche charakteristischen Eigenheiten und spezielle Timbren. Auch mussten natürlich Transpositionen mit Folgen für die zusammenhängenden Tonarten bei Liederkreisen vorgenommen werden. In einem ausführlichen Vorwort gehen die beiden Interpreten auf all diese möglicherweise entstehenden Einwendungen der Hörer ein und warum sie diese Aufnahmen gemacht haben. In einem weiteren interessanten Artikel des Beiheftes von Nicolas Southon wird man über den Stellenwert Faurés und seiner Melodies informiert. Für die 3 CDs umfassende Einspielung wurde die Schaffenszeit Faurés in vier Abschnitte eingeteilt: 1.Teil 1861-1878, der kürzere 2.Teil 1878-1886, der lange 3.Teil 1887-1906 und schließlich der 4.Teil 1906-1921.
Danach wurde jede CD in sich chronologisch gestaffelt, so dass man jeweils einen „Liederabend“ mit über 30 Liedern hat, an dem man die stilistische Entwicklung der Kompositionen vom Einfachen bis zum Kompliziert-Artifiziellen gut nachvollziehen kann. Von der ersten Liedgruppe der CD 1 überzeugt vor allem das todtraurige L’Absent (Victor Hugo) von 1871; die hier musikalisch verarbeitete Trauer über den Krieg und seine Folgen wird von den Interpreten ausdrucksstark geboten. Cyrille Dubois verfügt über eine kräftige, sicher durch die Lagen geführte Stimme, die eine große Farbpalette abdeckt, beste Schwelltöne und Legato beherrscht und die manchmal notwendige Attacke nicht vermissen lässt. Technisch brillant und einfühlsam passt das stets unterstützende Klavierspiel von Tristan Raes sehr gut dazu. Deutlich moderner ist dann schon der Liederkreis Cinq mélodies „de Venice“ (1891). Zu den variantenreicheren Melodien wird auch die Begleitung spannender, wie z.B. En sourdine, wenn die Singstimme allmählich aus den Arpeggien aufsteigt und schließlich wieder zart verklingt. Aus dem Liederkreis La Bonne Chanson (1892-4) sind besonders gelungen J’ai presque peur, en vérité, das die Angst fast greifbar macht, und das dagegen schlichte Lob einer still-genügsamen Liebe N’est-ce pas?
CD 2 umfasst 20 Lieder und zwei Liederkreise. Bei dem zu durchgehendem Quintmotiv der Begleitung intensiv gesungenen Les Berceaux (1879) wurde das Schaukeln der Kinderwiegen und der Schiffe besonders gut herausgestellt; dagegen huscht La Fée aux chansons (1882) spitzbübisch durch die Büsche, auch im Klavierpart. Der Liederkreis Shylock (1889) umfasst 5 Lieder, die Fauré zu der gleichnamigen Komödie von Edmont Haraucourt schrieb: Bei Madrigal fällt die auffällig eigenständige Klavierbegleitung auf; Dans la forêt de septembre kann man – hoch aktuell – als Lied auf den sterbenden Wald allgemein auffassen. Der weitere Liederkreis La Chanson d’Ève (1906-10) umfasst 10 Lieder zu Eva, dem Paradies und Gott. Der Stil wird insgesamt kantiger, es wird noch mehr Wert auf Sprachmelodie gelegt. Comme Dieu rayonne über Gottes Atem in der Natur wie auch Crépuscule sind Höhepunkte dieses Kreises.
Von den Einzelliedern der CD 3 ist Hymne à Apollon (1884) hervorzuheben, das als Einziges auf einer Übersetzung aus dem Griechischen in das gefälliger singbare Französisch beruht; hier läuft die Melodie noch häufig in der Klavierbegleitung parallel zur Bildung einer Einheit. Eine starke Interpretation ist auch mit En prière (1890) gelungen. Poème d’un jour (1878, drei Lieder) wird mit freier Höhe des Tenors und fließender Klavierbegleitung von den Protagonisten zu einer kleinen Kostbarkeit geformt. In La Messagère aus Le Jardin clos (1914, 10 Lieder) ist die Unruhe des Herzens mit vielen Farben in der Stimme wie mit vorwärts strebendem Tempo des Klaviers wunderbar getroffen worden. Auffällige harmonische Rückungen verdeutlichen in Jardin nocturne aus Mirage (1919, vier Lieder) eine Besonderheit der späten Kompositionen Faurés. Von 1921 stammen die letzten vier Lieder der CD, L’Horizon chimérique, von denen besonders das Lied Diane, Séléné endlose Traurigkeit verströmt. Es sind also durchweg auch die politischen Ereignisse und ihre Folgen in der Musik erkennbar geworden.
Diese Sammlung ist für alle Freunde des französischen Lieds eine Bereicherung (APARTÉ, AP 284, 3 CDs/8. 10. 22). Marion Eckels