Beeindruckend

 

Keinen Geringeren als Piero Cappuccilli hat sich Ludovic Tézier, so lässt er im Booklet seiner Sony-CD mit Verdi-Arien verlauten, zum Vorbild genommen, und wer es miterlebt hat, denkt sofort an Situationen wie den Wiener Maskenball mit nicht enden wollendem Beifall für „Alla vita“, so dass Riccardo Pavarotti Ungeduld durchblicken ließ, an den Berliner Padre Germont, der mit seinem Krückstock dem verwirrten Dirigenten den Takt klopfte, an den legendären Tenorverwirrer, der vor einer Vorstellung gern mit einem mühelosen hohen C an der Garderobe des Kollegen vorbeimarschierte. Aber auch „pietà, rispetto, amore“ löste der italienische Bariton aus, als er nach eben diesem Titel nach der Pause sein Konzert in der Berliner Philharmonie nicht mehr fortsetzen konnte, so sehr hatte seine Gesundheit der Unfall ruiniert, den er auf der Heimfahrt aus der Arena di Verona in seine Heimatstadt Triest erlitten hatte.

Mit seinem berühmten Vorbild gemeinsam hat der französische Bariton sicherlich den Aplomb, mit dem er seine Partien, wenn diese das erfordern, angeht. So klingt sein Forza-Carlo kraftvoll, wenn nicht gar martialisch, sehr dunkel und damit weniger strahlend als der Italiener, gut konturiert und mit klarer Diktion. Er scheint eher prädestiniert für die düsteren als die Lichtgestalten der Baritonfraktion, manchmal etwas dumpf, mit viel Peng für die Cabaletten und immer voller Nachdruck. Eleganter klingt der französische Posa, ruhiger und mit schönem Fluss der Stimme, dazu mit zwei beeindruckenden Fermaten aufwartend. Gegen Ende der CD gibt es auch noch die italienische Version von Rodrigos Tod.

In Ernani kann  zunächst einmal das Orchestra del teatro comunale di Bologna, es geht doch nichts über ein erfahrenes Opernorchester, unter Fréderic Chaslin mit einem betörenden Vorspiel zur großen Szene des Carlo entzücken, danach kann der Hörer sich davon überzeugen, dass Tezier um die Bedeutung von Rezitativen weiß, auch die kleinen Notenwerte zu ihrem Recht kommen lässt und den „Sommo Carlo“ gebührend zu feiern weiß. Eine farbige mezza voce dokumentiert er mit dem ein weitgespannten Bögen verführerisch klingenden „Vieni meco“.

Wie aus einem Albtraum erwachend singt Tezier die große Szene des Ford, die vielfältigen Gefühlsregungen präzise nachzeichnend, ein Getriebener, der doch die sichere Höhe effektvoll einzusetzen weiß. Mit großer vokaler Geste zeichnet er die Gefühlsverfassung  des Luna nach, lässt die Stimme effektvoll strömen. Sein Padre Germont gibt den Schmerz des sorgenvollen Vaters wider und vermeidet alles nach Routine klingendes Umtata, feierlich klingt der Nabucco des Franzosen, geradezu Mitleid erregend sein Macbeth.

Keine nur auf Gruseleffekte zielende Brunnenvergifternummer ist sein Credo des Jago, sondern nur etwas offener gesungen, verhangen dann zum Schluss, im Piano ausgekostet das „e poi“- und die grässliche Lache am Schluss korrigiert etwas das Bild vom kultiviert und bedacht gestaltenden Sänger. Mit vorgetäuschter Atemlosigkeit sucht Rigoletto nach der geraubten Gilda, eine herrliche Crescendo-Fermate auf „taci“ und eine Superfermate auf „pietà“ lassen den Hörer staunen. Beide Renato-Arien erweisen den französischen Bariton noch einmal als effektvoll und eindringlich gestaltenden Sänger, dem „Eri tu“ geht noch einmal ein kunstvoll gestaltetes Rezitativ voraus, die Fiorituren werden schön ausgesponnen, der Schwellton am Schluss ist ein Höhe- und der Schlusspunkt, ehe noch einmal Rodrigo zu Wort kommt (Sony 19439753632). Ingrid Wanja