Die Veröffentlichung von Giacomo Meyerbeers Romilda e Costanza bei NAXOS schließt eine Lücke im Werkkatalog des Komponisten. Das im Jahre 1817 in Padua uraufgeführte Melodramma semisierio war die erste italienische Oper des noch unbekannten 26jährigen Komponisten. Sie spielt im Mittelalter in der Provence und handelt von zwei Töchtern – des Herzogs der Bretagne und des Grafen von Cisteran – sowie den Zwillingsbrüdern Teobaldo und Retello. Es gibt kriegerische Konflikte und private Eifersuchtsszenen, denn Teobaldo, mit Costanza verlobt, hat sich in Romilda verliebt. Am Ende nimmt er sie zur Frau, während sich Costanza Retello zuwendet.
Die Live-Aufnahme stammt vom Festival ROSSINI in WILDBAD 2019 und folgt mehreren NAXOS-Ausgaben von seltenen Rossini-Opern – ein steter Beweis für das innovative Wirken des Unternehmens. Aufgeführt wurde die Originalversion, welche nun als World Premiere Recording auf drei CDs vorliegt (8.660495-97).
Luciano Acocella steht an Pult des Passionart Orchestra und leitet eine Besetzung von recht unterschiedlichem Niveau. Das betrifft vor allem die beiden Sängerinnen der Titelrollen. Die Sopranistin Luiza Fatyol als Costanza führt sich mit der lieblichen Cavatina „Giungesti, o caro istante“ ein, lässt aber eine herbe Stimme von oft heulendem Klang hören. Ihre Aria im 2. Akt, „Ah! più non tornerà“, ist bequemer notiert in der mittleren Lage und liegt ihr deutlich besser. Die Cabaletta, „E vittima d’amore“, offenbar dann freilich wieder grelle Spitzentöne. Auch die Altistin Chiara Brunello als Romilda beginnt mit einer Cavatina („ Tu sai qual’oggetto“) und nimmt vom ersten Ton mit ihrem dunklen, samtigen Timbre in der Mittellage für sich ein. Lediglich in der Höhe ist der Ton nicht so angenehm. Mit Pierotto, einem Jugendfreund Teobaldos, hat sie ein ausgedehntes Duett von rossinianischer Munterkeit, in welchem sich ihre Stimme mit der des Baritons Giulio Mastrototaro perfekt verblendet. Er hat zu Beginn des 2. Aktes in der Aria „Se nel mondo“ auch Gelegenheit, solistisch mit eloquentem Vortrag zu imponieren. Natürlich haben die beiden Titelheldinnen auch ein großes Duett, welches im 2. Akt platziert ist („L’infedel punir dovrei“) und beider virtuoses Vermögen fordert. Die Szene wird zu Recht vom Publikum mit reichem Beifall bedacht. Mit der Gran scena ed aria, „Ombre ferali della morte/Volate a sua defesa“, fällt Romilda das letzte Solo der Oper zu, welches die Interpretin mit Bravour absolviert.
Teobaldo ist der kongolesische Tenor Patrick Kabongo, der mit der Cavatina „Oh padre mio!/Ombre amata“ auftritt. Die Stimme ist weich und schwärmerisch, bewältigt die exponierte Tessitura und das Zierwerk in der Cabaletta „Della gloria il vivo ardore“ souverän. Unbedingt erwähnenswert ist der Bariton Emmanuel Franco, der als Kastellan Albertone in der Aria „Chi sta al mondo“ mit prachtvoller, flexibler Stimme begeistert.
Die deutlich von Rossini inspirierte Musik leitet Acocella mit Verve und Esprit, was sich schon in der zweiteiligen Sinfonia ankündigt, welche er mit wirkungsvoller acellerando-Steigerung ausbreitet. Das ausgedehnte Finale primo weiß er effektvoll zu entwickeln und sorgt auch in der Scena e finaletto für einen turbulenten Wirbel. Bernd Hoppe