„Ich halt es nicht mehr aus!“, singt die Titelheldin in Berthold Goldschmidts Oper Beatrice di Cenci, die, zum ersten Mal in deutscher Sprache, 2018 bei den Bregenzer Festspielen aufgeführt wurde. Dieser Satz ist dem Betrachter der DVD da längst mehrere Male durch den Kopf gegangen angesichts der zwar historisch verbürgten, aber trotzdem oder gerade deswegen unmöglichen Handlung um einen tochterschändenden Vater, gatten- und vatermordende Frauen, heuchlerischen Liebhaber, bestechlichen Kardinal, gnadenlosen Papst und obendrauf noch zwei Auftragsmörder. Zwar wird in Opern oft, aber meistens schön, dazu nach dem Ausleben von Lust und Liebe gestorben, in diesem Werk und dieser Inszenierung von Johannes Erath aber sind selbst die mordenden Opfer von Anfang an durch ihr Leiden so deformiert, die Heldin der Puppe gleich, die sie von Anfang bis Ende in den Armen hält, dass man ihr Schicksal weniger mit Anteilnahme als mit einer Mischung aus Ekel und Mitleid verfolgt. Großartig, aber halt auch eher Abscheu als Bewunderung erregend sind die Kostüme von Katharina Tasch, die die zu Karikaturen von Renaissancemenschen verkommene Hofgesellschaft ausgestattet hat, deren Text zwar von Mitleiden spricht, deren Verhalten jedoch ambivalent ist. Auch die Bühne, insbesondere der Turm, in dem die Gefangenen schmachten, ist von Katrin Connan phantasievoll gestaltet worden, alles in allem sind da Könner am Werk gewesen, die ein Publikum zu fesseln verstehen, selbst wenn die Geistlichen durchweg mit Sonnenbrille oder die Pistole, die von Hand zu Hand geht, natürlich nicht passen. In Johannes Debus und den Wiener Symphonikern stehen außerdem Interpreten zur Verfügung, die die von Schreker, Mahler, der Spätromantik beeinflusste Musik zur Geltung zu bringen wissen. Die Kameraführung konzentriert sich auf die jeweils singenden Personen, was allerdings manchmal zur Folge hat, dass man nicht weiß, woher nackte Körper, die auf einmal in der Ecke liegen, oder andere Überraschungen nun eigentlich kommen.
Gut ausgewählt ist das Sängerensemble, an der Spitze Gal James als Beatrice, marionettenhaft wie ihre Puppe und zunehmend dem Wahnsinn verfallend, mit üppigem, stets weich bleibendem Sopran, sei es in der schönen Klage zu Beginn des zweiten Akts, im „War es böse, was ich tat?“ oder im Lebewohl vor ihrer Hinrichtung. Einen angemessen androgyn klingen Mezzosopran hat Christina Bock für ihren Bruder Bernardo, der als Einziger der Familie überlebt. Angenehm warme Stimmfarben steuert Dshamilja Kaiser als Stiefmutter Lucrezia bei. Die angemessene Härte in der Stimme hat Christoph Pohl für den Vater Francesco Cenci. Einen flachen, scharf klingenden Tenor, der aber die Zwielichtigkeit der Figur gut hörbar macht, setzt Michael Laurenz für den falschen Fuffziger von Orsini ein, der sich hier immerhin mit dem Pistol selbst richtet. Den geldgierigen Kardinal Camillo singt mit eherner dunkler Stimme Per Bach Nissen. Mit schneidendem Charaktertenor gibt Peter Marsh den blutrünstigen Richter. Der bewährte Prague Philharmonic Choir unter Lukáš Vasilek darf sich über elegante Kostüme für den Schlusschor freuen, der mit dem Requiem so ziemlich das einzige versöhnliche Element in der fürchterlichen Geschichte ist. (C – Major 751408). Ingrid Wanja
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