Omaggio veronese

 

Das fünfzigjährige Wirken von Plácido Domingo in der Arena di Verona dokumentiert eine Veröffentlichung auf 2 DVDs bei C major classics/UNITEL mit dem Titel Plácido Domingo Opera Gala (755008). Mit 28 Jahren debütierte der 1941 in Madrid geborene Sänger im historischen Amphitheater als Calaf in Puccinis Turandot und Don Carlo in Verdis gleichnamiger Oper. Das beispiellose Jubiläum seiner Aktivitäten in Verona feierte er im Sommer 2019 im voll besetzten Arenarund mit einem Verdi-Programm – dem Komponisten, der in seiner Laufbahn eine zentrale Rolle einnahm. In drei Bariton-Partien, denn 2009 war er in dieses Fach gewechselt, demonstriert er seine reichen, auf den Bühnen in aller Welt gesammelten Erfahrungen. Stefano Trespidi hat die Szenen im Bühnenbild von Ezio Antonelli, mit dekorativen Video-Projektionen von Tiziano Mancini  und in prachtvollen Kostümen von Silvia Bonetti arrangiert. Jordi Bernàcer dirigiert das Orchester der Arena di Verona mit Verve und Italianità.

Den Auftakt bilden Ausschnitte aus Nabucco, beginnend mit der Sinfonia, die vom Choreografen Giuseppe Picone tänzerisch eher geschmäcklerisch illustriert wird, gefolgt vom berühmten „Va, pensiero“, das der Chor der Arena (einstudiert von Vito Lombardi) klangvoll ausbreitet und sich für ein Dacapo sogar in die Zuschauerreihen begibt. Als Zaccaria ist Marko Mimica von der Deutschen Oper Berlin engagiert im Einsatz. Domingo, mit Auftrittsapplaus begrüßt, ist in Szenen des Titelhelden aus dem 4, Akt zu hören – „Son pur queste mie membra?“, „Porta fatal/O prodi miei“ , „Ah, torna Israello“ und „Oh! Chi vegg’io?“. Der reifen Stimme mangelt es an baritonalem Kern, der Vortrag ist bemüht, doch nie gefährdet und wird mit Jubelstürmen quittiert. Darstellerisch gibt es nicht selten Momente am Rande der Lächerlichkeit. Géraldine Chauvet singt Fenenas Arie passioniert; Anna Pirozzi, die Sopranistin des Abends, ist als Abigaille nur in ihrer tragischen Schlussszene zu sehen.

Im Macbeth, dem Mittelteil des Programms, vom Chor mit der Klage der schottischen Flüchtlinge „Patria oppressa!“ eröffnet, kann sie in der Nachtwandelszene der Lady mit fahlen, verschatteten Tönen beeindrucken. Der Tenor der Gala, Arturo Chacón-Cruz, glänzt bei Macduffs ergreifender Arie „O figli“ mit strömender Fülle und leidenschaftlichem Ausdruck.  Domingo interpretiert wiederum Soli des Titelhelden aus dem letzten Akt – „Pietà, rispetto, amore“ und „Mal per me“. Die Baritonpartie gehört zu den von ihm am häufigsten interpretierten, was sich im souveränen Umgang mit der Musik und der Ausdrucksvielfalt widerspiegelt.

Zum Abschluss gibt es Szenen aus jenem Werk, das Domingos Beginn seiner Bariton-Karriere markierte: Simon Boccanegra. Zunächst kann Chacón-Cruz mit Gabrieles schwieriger Arie „O inferno!“ mit furiosem Einsatz imponieren und danach im Duett mit Amelia (Anna Pirozzi), „Parla, in tuo cor virgineo“, auch seine lyrischen Qualitäten zeigen. Simones Szene mit ihr, „Figlia?…Vecchio inerme il tuo braccio colpisce“ ist eine der längsten und berührendsten Nummern des Pogramms. Ähnlich gewichtig sind Simones Dialog mit Fiesco (Marko Mimica), „M’ ardon le tempia“ und das Finale der Oper „Gran Dio“. Domingo ist mit dieser Partie vertraut wie mit keiner anderen des Bariton-Repertoires und vermag das tragische Schicksal der Figur hoheitsvoll und ergreifend zu vermitteln. Am Ende leuchtet über der Bühne ein Schriftzug aus Fackeln auf: 50 DOMINGO, und beim Erscheinen des Tenors zum Schlussapplaus gibt es sogar noch ein opulentes Feuerwerk. Spektakulärer lässt sich ein Jubiläum nicht feiern. Bernd Hoppe