Oper über Miklós Radnóti

 

Hintergrund und Inhalt sind bewegender als die Oper, die Tom Cipullo in guter Absicht daraus gemacht hat. Es geht um den ungarischen Dichter Miklós Radnóti, einen assimilierten Juden („Ich fühle mich nicht als Jude… Wenn ich mit einer Religion überhaupt etwas im Sinn habe, dann mit dem Katholizismus“), der, um sich keinen Vorteil zu verschaffen, auf die Konversation zum Katholizismus verzichtete. Wie die Dichter Antal Szerb, Gabor Halász, György Bálint und mehr als eine halbe Million ungarischer Juden wurde Radnóti Opfer des Holocaust: zusammen mit 21 Mithäftlingen wurde der 35jährige am Ende eines Gewaltmarsches in der Nähe von Györ und der österreichischen Grenze erschossen. 1946 wurde das Massengrab exhumiert, wobei Radnótis letzte Gedichte gefunden wurden, die heute in keiner Anthologie moderner ungarischer Dichtung fehlen, vergleich der Todesfuge Celans in einer deutschen Sammlung. Radnóti wurde zur moralischen Instanz. Das Todesbewusstsein war für Radnóti, der dem von Söldnern getöteten spanischen Kollegen Federico Garcia Lorca seine erste Ekloge widmete und dessen Weggefährte der ungarische Dichter József Attila war, der sich 1937 vor den Zug geworfen hatte, Bestandteil seines Schaffens.

Der New Yorker Komponist Tom Cipullo (*1956), zu dessen bekanntesten Lehrern David Del Tredici und Thea Musgrave gehören, beschreibt in seiner Oper The Parting Radnótis letzte Nacht mit seiner Frau Fanni bevor er wieder zum demütigenden Arbeitsdienst musste. Dem Paar war bewusst, dass es sich vielleicht nie wiedersehen würde. Fanni blieb in der gemeinsamen Wohnung. Sie starb mit 102 Jahren 2014. Fünf Jahre später erinnern Tom Cipullo und David Mason zu dessen 75. Todestag an den hierzulande und vermutlich auch in den USA unbekannten ungarischen Dichter. Cipullos Oper The Parting, (World Premiere Recording Naxos 8.669044), zu der Mason unter Verwendung von Gedichten, die Radnóti bis zuletzt in ein kleines Büchlein schrieb, das Libretto verfasste, widmet sich diesem Abschied, bei dem neben Miklós (Bariton) und Fanni (Sopran) durchgehend der Tod (Mezzosopran) gegenwärtig ist.

Gelegentlich blickt die undramatische Handlung in den 13 Abschnitten auf das Ende voraus,  konzentriert sich aber vor allem auf die Beziehung der in unendlicher Liebe verbundenen Miklós und Fanni, in der Fanni, die großes Verständnis und Geduld für sein Schaffen aufbringt, häufig auch zurückstehen muss. Lapidar und zynisch liefert der Tod seine Kommentare, „You never have to look far to see that for some, evil is right next door“.  Cipullos neoromantisch, lyrisch sentimentale Musik erlaubt es Michael Mayes sich als Miklós in schwärmerisch breiten und intensiven Bögen von sämiger Schönheit zu entfalten und gibt Laura Stricklings Fanni wiederkehrende melodische Abschnitte von einiger Lieblichkeit; Catherine Cooks Mezzo ist recht unruhig, was dem Tod gut ansteht. Cipullo hält das von Alastair Willis dirigierte Quintett aus Flöte, Klarinette, Violine, Cello und Klavier mit einer abwechslungsreich sprechenden Musik auf Trab, die die Stimmungen und die Melancholie einzufangen versucht. Das ist alles gut gemeint. Wirkt aber als Gegenstück etwa zu Erkki-Sven Tüürs Budapester Holocaust-Oper Wallenberg doch wie ein literarisch-musikalisches Volkshochschul-Projekt. Auftraggeber war die in Seattle ansässige Organisation Music of Remembrance „dedicated to remembering the Holocaust through music with conert performances, educational programs, recordings and commisions of new works“.   Rolf Fath