3030
Schnieke sieht er aus in tadellosem Frack mit Kummerbund, die Hände lässig in die Hosentaschen gesteckt, und für jede Sekt-, nein, natürlich Champagner-Reklame wäre er ein Schmuckstück. Innerhalb des Booklets zu seinem ersten Recital sieht man den tschechischen Tenor Petr Nekoranec schon wesentlich lässiger auftreten, das Jackett ist verschwunden, der Kragen des weißen Hemds geöffnet, und der Sänger sieht dem Betrachter mit einem fröhlichen Lachen ins Gesicht.
Auf der CD geht es mit Arien aus französischen Opern meistens eher tragisch zu, so mit Werther und Roméo, Faust, aber auch Donizettis Tonio mit den berüchtigt-berühmten acht hohen Cs.
Als Roméo hat sich der Sänger mit Zuzana Marková eine Julia an die Seite geholt, die unlängst an der Berliner Staatsoper als Violetta einen Triumph feierte. Der Tenor ist live augenblicklich vor allem in Stuttgart und vorzugsweise mit Rossini zu erleben.
Dass die Wahl französischer Musik für die CD die genau richtige war, bemerkt man bereits beim ersten Track, Werthers „O nature“ und wundert sich noch im Nachhinein, dass der Tenor als eines seiner Vorbilder Mario del Monaco angegeben hat, sollte die Zielrichtung doch die zum tenore di grazia sein, ein Tito Schipa eher zum bewunderten Ideal erkoren werden. Für Goethes unglücklichen Helden nimmt die Violine den zärtlichen Klang voraus, den die sehr kommunikativ klingende Stimme aufnimmt, hell, beweglich, agogikreich und mit feinen Verschattungen als Interpretationsmittel. Ein anderer Massenet-Held, Des Grieux, glänzt in seiner Traumerzählung durch die leichte Emission der Stimme, die schwebenden Piani und einen berückend schön im Decrescendo sich verlierenden Schluss.
Auch Gounod ist doppelt vertreten, sein Faust hat das im französischen Fach so bezaubernde süße Timbre, weiß in der Höhe sieghaft zu strahlen. Der Roméo singt ein schwärmerisches „Ah! Lève toi“, nimmt den Intervallsprung als Ausdruck jünglingshafter Emphase und passt mit der auch geschmeidig-farbigen Mittellage gut zu seiner Partnerin im „Ange adorable“.
Die Arie des Nadir aus Bizets Perlenfischern wird ganz schlicht gesungen, hält den Ton verhaltener Zärtlichkeit wunderbar über das gesamte Stück hinweg durch. Die Arie des Paris aus Offenbachs Belle Hélène atmet viel Esprit und der Sänger nimmt die Intervallsprünge mit beeindruckender Leichtigkeit. Natürlich darf die Bravourarie des Tonio aus Donizettis französischer Fassung der Regimentstochter nicht fehlen, und die Spitzentöne gelingen mühelos, sind aber nicht das Beste und Beachtenswerteste an der Stimme, sondern deren dolcezza, die auch italienischem Belcanto gut anstehen würde. Die Köstlichkeit von Berlioz‘ „O blonde Cérès“ wird als kleines Kabinettsstückchen voll ausgekostet, mit Arien aus„Lakmé und Le roi d’Ys kommen auch unbekanntere Werke zu ihrem sonst so oft missachteten Recht.
Mit Christopher Franklin wurde ein erfahrener Dirigent gewonnen, der die Tschechische Philharmonie zu adäquaten Begleitern werden lässt. Die Stuttgarter müssen sich beeilen, wenn sie diesen bemerkenswerten Tenor erleben wollen, dem bald die Welt der Oper offen stehen wird (SUPRAPHON SU 4260-2). Ingrid Wanja