Wer Jacquelyn Wagner in den jugendlich-dramatischen Partien des deutschen Fachs hört, kann sich an einer wunderbar aufblühenden Stimme mit klar strahlendem Kern erfreuen, die außerordentlich sauber geführt wird. Ende des Jahres gab die Sopranistin ihr gefeiertes Rollendebüt als Elsa in Lohengrin in Salzburg, unter Christian Thielemann sorgte sie 2019 ebenfalls in Salzburg als Eva in Die Meistersinger von Nürnberg für Furore, eine Rolle, die sie auch schon an der Mailänder Scala sang. Neben den großen jugendlich-dramatischen Rollen Wagners und Strauss steht die Sängerin auch regelmäßig in Mozartpartien wie Donna Anna und Fiordiligi auf der Bühne und im Februar folgt sogar ihr Debüt in einer Händelrolle, als Alcina in einer Neuinszenierung an der Deutschen Oper am Rhein. Zum Jahresende trat sie in ihrer Wahlheimat Berlin als Rosalinde in Rolando Villazóns Inszenierung von Die Fledermaus an der Deutschen Oper auf. Dort begann sie ihre Karriere vor ihrer internationalen Laufbahn als Ensemblemitglied und ist vielen Opernbesuchern noch als wunderbare Figaro-Contessa, Pamina oder Traviata in Erinnerung. Dieter Schaffensberger sprach mit der Sängerin, die ihre internationalen Erfolge als Arabella, Marschallin, Fidelio-Leonore, Elsa und Eva hoffentlich bald auch in Berlin wird wiederholen können.
Sie kehren nach längerer Abwesenheit an die Deutsche Oper Berlin zurück, diesmal als Rosalinde in „Die Fledermaus“. Was ist es für ein Gefühl, wieder an dem Haus aufzutreten, von dem aus Sie Ihre mittlerweile große Weltkarriere begonnen haben? Ich weiß nicht, ob ich es eine “Weltkarriere” nennen würde, aber ich freue mich riesig, an die Deutsche Oper zurückzukehren. Für mich ist es wie nach Hause zu kommen. Ich habe meine Karriere dort begonnen, und ich bin so vielen Leuten an der Oper für immer dankbar für alles, was ich dort erlebt und gelernt habe. So viele Mitarbeiter sind Freunde von uns, und wieder da zu sein ist das beste Geschenk, das ich zu Weihnachten bekommen konnte!
Sie haben Ihr Repertoire seit Ihrer Zeit im Ensemble der Deutschen Oper Berlin enorm erweitert. Mit Christian Thielemann haben Sie bei den Salzburger Osterfestspielen die Eva gesungen, letzten Monat haben Sie als Elsa debütiert. Auch die Arabella, Agathe und Fidelio-Leonore gehört zu Ihrem Repertoire. Gibt es auch in Berlin auf zukünftige Auftritte im jugenlich-dramatischen deutschen Sopranfach? Das weiß ich im Moment ehrlich gesagt nicht. Wir probieren etwas zu organisieren, und ich hoffe sehr, dass es klappt!
Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit einem DER großen Wagnerdirigenten wie Thielemann beschreiben? Ich habe es schon zu vielen gesagt: Es ist eine echte Ehre, mit ihm zu arbeiten. Er hat eine natürliche Musikalität und spürt, was das Orchester und Sänger/innen brauchen, und führt einen zauberhaft durch den Abend! Es ist ein Luxus mit ihm zu singen!
Welche neuen Rollen stehen im deutschen Fach in den nächsten Jahren an? Nichts in der näheren Zukunft. Ich mache bald wieder einen Rosenkavalier, und freue mich sehr auf die Marschallin!
Ein wichtiger Dirigent ist für Sie auch Philippe Jordan, unter dessen musikalischer Leitung Sie an der Pariser Oper diese Spielzeit sowohl als Fiordiligi als auch als Donna Anna auftreten werden…. Das stimmt. Ich singe auch ein Beethoven Konzert mit ihm in Wien am 11. Januar mit den Wiener Symphonikern, und es wird ein schönes Erlebnis sein!! Ich freue mich jedes Mal mit Maestro Jordan zu arbeiten. Wir verstehen uns gut und ich freue mich sehr für ihn, dass er diese tolle neue Stelle in Wien bekommen hat und bin mir sicher, dass er die Staatsoper als Musikdirektor super führen wird!
Mozart kann neben dem deutschen jugendlich-dramatischen Fach als weiterer großer Pfeiler Ihres Repertoires bezeichnet werden. Man könnte denken, dass es schwierig sei, in einer Saison sowohl Wagner- als auch Mozartrollen zu singen. Was sind die technischen Herausforderungen, beides „unter einen Hut“ zu bekommen? Mozart ist tatsächlich immer noch ein wichtiger Teil meines Repertoires. Wichtig nicht nur für die Technik, sondern auch die Musikalität. Für das dramatische Fach braucht man viel Kraft, Volumen, und trotzdem noch einen schönen Klang! Bei Mozart hört man alles. Man kann sich nicht im Orchester verstecken und muss extrem präzise sein, da die Orchestrierung viel leichter ist. Der Wechsel zwischen schwerem und “leichtem” Mozart ist interessant, und hilft mir, meine Stimme flexibel und (ich hoffe) schön zu halten.
Gibt es Traumrollen, die Sie bisher noch nicht gesungen haben? Alles von Richard Strauss ist für mich ein Traum. Ich habe noch nicht Daphne und Gräfin (Capriccio) gesungen, aber jedes Mal wenn ich Arabella und Rosenkavalier singe ist das für mich ein Traum!
Auf CD bei Capriccio ist gerade Ihre bemerkenswerte Euryanthe, eine Liveaufnahme aus dem Theater an der Wien, erschienen. Auffallend ist, mit welcher Leichtigkeit Sie diese ja fast schon „unsingbare“ Rolle bewältigen. Was können Sie uns über die Rolle und das Projekt in Wien erzählen? Euryanthe ist eine wunderbare Oper, die viel zu selten gespielt wird. Christof Loy hat eine hochsensible und intuitive Inszenierung geschaffen, und wir hatten so viel Freiheit, die Charakteren darzustellen. Ich finde die Rolle nicht “unsingbar”, Weber hat nur Emotionen aufgeschrieben. Euryanthe ist eine Frau mit einem puren und vertrauensvollen Herz, und ist das Opfer von Eifersucht und Verrat. Am Ende überdauert die Liebe und auch wenn die Geschichte einige unkonventionelle Wendungen hat ist es immer noch eine Liebesgeschichte. Diese Frau zu verkörpern war ein sehr schönes Erlebnis. Ein so schönes, dass ich hoffe sie bald wieder singen zu dürfen.
Sie leben mit ihrem Mann, dem spanischen Dirigenten Martín Baeza-Rubio in Berlin, sind aber wahrscheinlich beide die meiste Zeit über auf Reisen. Wie bringt man Privatleben mit einem solchen „Jetsetleben“ in Einklang? Es ist auf jeden Fall nie langweilig! Wir genießen unsere wenige Zeit zusammen, und versuchen das Leben so normal zu halten wie möglich. Wir waren diese Weihnachten zuhause in Berlin. Das letzte Mal, dass wir Weihnachten hier feiern konnten war vor 7 Jahren. Es ist ein Traum hier zu sein!
Wie kamen Sie auf den Beruf Opernsänger? Wo haben Sie studiert und wie kamen Sie nach Deutschland? Schon als ich ganz jung war habe ich immer im “opera style” gesungen. Mein Vater ist Hornist, und hat 35 Jahre im Detroit Symphony Orchestra gespielt. Jetzt ist er Professor an der Michigan State University. Ich bin meinen Eltern so dankbar, weil sie wussten, was sie mit meinem Interesse für Musik machen sollten und eine super Lehrerin für mich gefunden haben, Edith Diggory. Ich habe 8 Jahre mit ihr studiert (4 Jahre Privat, und 4 Jahre für mein Bachelor Abschluss an der Oakland University). Danach bin ich nach New York, an die Manhatten School of Music für meinen Master, und gleich danach nach Deutschland mit einem Fulbright Stipendium (dafür hatte mich beworben, nachdem ich von Edith Diggory dazu ermutigt wurde). Gleich danach hatte ich ein Stipendium an der Deutschen Oper Berlin gekriegt, und danach auch zwei Jahre Festengagement erhalten. Deutschland ist jetzt mein Zuhause, und ich bin immer dankbar, dass ich hier arbeiten und leben darf! (Foto oben Harald Hoffmann; alle Fotos sind Eigentum der Sängerin)