Wenn es die Kategorie sympathische Sänger gäbe, Karl Terkal gehörte mit Sicherheit da hinein. Besser ist er für mich nicht zu charakterisieren. Selbst dem Herzog aus Verdis Rigoletto, diesem gemeinen und verschlagenen Kerl, der über Leichen geht, gewinnt er darstellerisch noch gute Seiten ab. Diese Worte sollen keine Kritik sein sondern der Versuch, einen Tenor von außerordentlicher Begabung zu beschreiben. Das in der Schweiz ansässige Label Relief, bei dem schon viele von den großen Plattenfirmen vernachlässigte Künstler späte Gerechtigkeit erfahren haben, hatte einst zum 90. Geburtstags von Terkal die – wie Gottfried Cervenka im Textheft zu Recht heraus stellt – erste Solo-CD des Sängers mit einem reinen Opernprogramm auf den Markt gebracht (CR 3007). Nun steht bald der 100. Geburtstag an. Terkal, 1919 Wien geboren und dort 1996 auch gestorben, ist Sammlern allerdings kein Unbekannter. Er taucht auf etlichen Gesamtaufnahmen von Rundfunkstationen auf, auch auf kleinen Single-Platten, oft in Operetten und in kleineren Rollen. So hat er im Rosenkavalier den italienischen Sänger, den Tierhändler und auch den Wirt gegeben. An der Wiener Staatsoper war er nicht nur der Kalaf, sondern über mehr als dreißig Jahre hindurch einer der beiden Gefangenen im Fidelio. Seine ihm eigene Professionalität kannte offenbar keinen Unterschied zwischen den tragenden und den Nebenrollen.
.Terkal, der Tischler gelernt hatte, begann seine Ausbildung als Sänger nach dem Zweiten Weltkrieg. Sein erstes Engagement führte ihn an die Oper in Graz, wo er sich sein umfängliches Rüstzeug erarbeitete. 1951 kam er an die Wiener Staatsoper. Cervenka, der 2015 gestorbene legendäre Moderator des österreichischen Rundfunks, kannte Terkal und die Wiener Opernszene gut: „Vier Jahrzehnte blieb die Staatsoper dann seine eigentliche künstlerische Heimat, auch wenn seine Entwicklung dort nach dem Tod seines großen Förderers Clemens Krauss leider etwas stagnierte und man nach Übernahme der Direktion durch Herbert von Karajan mehr Wert auf Internationalität als auf Individualität legte.“ Die Zusammenfassung von Arien und Szenen aus seinem großen Repertoire, das er mit einer Leichtigkeit und Natürlichkeit absolviert, sucht bis heute ihresgleichen auf CD. Dieser Tenor hat stimmlich nicht das geringste Problem. Das gilt für sein Gebet des Rienzi „Allmächt’ger Vater“ ebenso wie für Kalafs „Keiner Schlafe“, von „Selig sind, die Verfolgung leiden“ aus dem Evangelimann von Kienzl gar nicht erst zu reden. Alle Aufnahmen, darunter auch La Bohéme, Manon Lescaut, Die Hugenotten, Hoffmanns Erzählungen – alle in deutscher Sprache – sind äußerst selten, wenn nicht gar bisher unveröffentlicht gewesen. Man könnte einwenden, manche Szene gerät zu glatt, zu schlicht, inhaltlich unter den Möglichkeiten bleibend. Doch schon hat Karl Terkal selbst den strengsten Hörer mit seinem Charme und mit seiner Herzlichkeit wieder für sich eingenommen. R.W.