Crossover People

 

Nicht selten haben gestandene Opernsänger das Bedürfnis, sich im Crossover zu erproben. Im Falle der beiden Neuveröffentlichungen mit Renée Fleming und Bryn Terfel bei deren Stammfirmen Decca und DG handelt es sich um zwei Sänger, die sich schon mehrfach erfolgreich in diesem Genre versucht haben. Man denke nur an Flemings Alben Dark Hope, Love Sublime, Distant Light oder The Faces of Love. Und in Renée & Bryn Under The Stars ist sie sogar in Duetten mit dem walisischen Bassbariton zu hören.

Broadway heißt die Neuveröffentlichung der amerikanischen Sopranistin, die von jeher eine Affinität zum Jazz hatte und schon als Studentin in Nachtbars singend aufgetreten ist. Das Programm dieser CD (483 4215) bietet Ausschnitte aus Broadway-Musicals, darunter von so bekannten Komponisten wie Cole Porter, Richard Rodgers, Stephe Sondheim, John Kander, Andrew Lloyd Webber und Jerome Kern. An das luxuriöse, cremige Timbre der Opernsängerin darf man bei ihrem neuen Album nicht denken. Fleming setzt auf einen robusten, gelegentlich sogar ordinären Tonfall und nutzt ausgiebig ihre substanzreiche tiefe Lage. Oft hört man aber auch sinnliche, gar erotisch verruchte Töne und vor allem jenes jazzige Feeling, das der Interpretin so perfekt zu Gebote steht. „Loneliness of Evening“ aus Rodgers’ South Pacific und Sondheims „Children Will listen“ aus Into the Woods könnten geradewegs Live-Mitschnitte aus einer Nachtbar sein. In letzterem ist Leslie Odom Jr. mit ihr im Duett zu hören. Und es gibt auch Titel, in denen die Sängerin ganz soft, zärtlich und träumerisch klingt, wie „Something Wonderful“ aus Hammersteins The King and I, „Lay Down Your Head“ aus Tesoris Violet, „Dear Friend“ aus Bocks She Loves Me oder „Unusual Way“ aus Yestons Nine.

Zu den flotten, rhythmisch betonten Nummern gehören „Wonderful Guy“ aus Hammersteins South Pacific und „The Glamourous Life“ aus Sondheims A Little Night Music. Die Platte, auf der die Solistin vom BBC Concert Orchestra unter Rob Fisher begleitet wird, bietet also ein vielfältiges Spektrum von Klängen, Farben und Stimmungen. Mein Favorit ist „Till There Was You“ aus Willsons The Music Man, bei dem die Stimme der Fleming sich schwelgerisch verströmt und in ihrem ganzen Glamour zu vernehmen ist.

 

Gibt es auf Flemings Platte einen Duettpartner, hat Bryn Terfel auf seiner neuen CD  Dreams and Songs (00289 483 5514) sogar mehrere Mitstreiter, darunter sind so illustre Namen wie die Schauspielerin Emma Thompson, die Sopranistin Danielle de Niese und der Tenor Joseph Calleja. Das Programm umfasst viele jener Zugaben, die der walisische Bassbariton bei seinen zahlreichen Auftritten weltweit gegeben hat. Als Auftakt erklingt der Song „I believe“ von Drake/Graham/Shirl/Stillmann, in welchem der Sänger seine bekannt grobkörnige Stimme hören lässt, was in diesem Schmuse-Song, der am Schluss groß aufrauscht, nicht stört. Das folgende „The Fields of Athenry“ von St. John ist eine melancholische irische Ballade, das später erklingende „Ar lan y mor“ ein melodisches walisisches Traditional. John Denvers „Perhaps Love“ war ein Erfolgssong auf der LP mit Plácido Domingo. Hier ist Alfie Boe der Partner von Bryn Terfel. Zwei Ausschnitte aus Bocks Fiddler on the Roof bieten das populäre „If I Were a Rich Man“, in welchem Terfel die perfekte Mischung aus Aufbegehren und Gottvertrauen trifft, sowie das berührende Duett mit seiner Frau Golde „Do You Love Me“, in welchem sich Emma Thompson mit sensiblem Gesang zum Solisten gesellt. Unzählige Interpreten haben „Amazing Grace“ zu Weltruhm verholfen. Hier bieten Terfel, Danielle de Niese und die Metro Voices eine soßige Variante mit hohem Kitschfaktor. „Tell My Father“ stammt aus dem Film The Civil War und lässt Terfel und Katherine Jenkins in einen schwelgerischen Dialog treten. Im schmissigen „Golf Song“ von Hay Malotte hört man mit Terfel und Rob Brydon ein resolutes, auftrumpfendes Duo. Und dann gibt es noch den populären Gesangspartner Joseph Calleja, der im populären „Granada“ für tenorale Glanzlichter sorgt. Schließlich bietet Terfel mit dem „Hippopotamus Song“ von Swann/Flanders einen lebensfrohen, beschwingten Ausklang dieser CD, bei der ihn das Czech Philharmonic Orchestra und das Royal Philharmonic Orchestra (jeweils unter Paul Bateman) begleiten. Bernd Hoppe