Romantik kompakt

 

Das dürfte nicht so häufig vorkommen. In seiner neuesten Liedersammlung The Schubert Album bei Capriccio (C5331) widmet der Bariton Paul Amin Edelmann ein Lied dem Andenken an seine Mutter. Isle-Maria Edelmann, geboren 1931, gestorben 2015, war die Frau des in aller Welt gefeierten Heldenbaritons Otto Edelmann. Beider Sohn ist Paul Armin, der auch noch einen ebenfalls singenden Bruder Peter hat. Seine Eltern hätten ihm später erzählt, dass er zuerst gesungen habe und dann erst zu reden begann – „also ich glaube, die Leidenschaft für Musik war bei mir schon in den Genen“, schreibt Paul Armin Edelmann auf seiner Homepage. Und so schlugen meine Eltern vor, dass ich für die Wiener Sängerknaben vorsingen sollte. Ich bestand die Aufnahmeprüfung und war dann für vier Jahre lang mit dem Chor weltweit unterwegs, was natürlich meine musikalische Ausbildung sehr geprägt hat.“ Es vergehe kein Tag, an dem er nicht darauf besinne, was sein Vater ihm vorgelebt habe. Die Erinnerung an die Mutter verbindet der 1968 geborene Säger mit dem Lied „Im Frühling“. Es ist eines der späten Lieder Schuberts, 1826 und damit zwei Jahre vor dem Tod entstanden. Edelmann singt es in sich gekehrt. Für seine Verhältnisse klingt es verhalten und zurückgenommen. Fast schon leise. Insgesamt aber geht er die meisten Lieder des Albums etwas zu groß und zu mächtig an und wird dabei auch von seinem Pianisten Charles Spencer, einem sehr berühmten und erfahrenen Begleiter, nach Kräften unterstützt. Für den hochdramatischen „Prometheus“ passt das gut. „Auf der Bruck“ aber – um ein weiteres Beispiel zu nennen – könnte federnder beginnen. Dann blieben für die Steigerungen auch mehr stimmliche Reserven übrig. Edelmann verausgabt sich oft zu schnell. Als würde das Temperament mit ihm durchgehen. Ungeachtet der schönen Idee, ein Lied der eigenen Mutter zu widmen, erscheint die Programmauswahl inkonsequent. Ich sehe keinen rechten Zusammenhang und frage mich, ob es sinnvoll ist, auch Lieder aus der Schönen Müllerin („Halt“ und „Der Neugierige“) und aus der Winterreise („Der Leiermann“) aufzunehmen. Vor allem dem „Leiermann“, mit dem die Winterreise auf so erschütternde wie rätselhafte Weise schließt, wird in dieser Vereinzelung jene Wirkung genommen, die sich nur aus dem Zyklus selbst ergibt.

 

Konzeptionell schlüssiger ist die Robert Schumann gewidmete CD angelegt, die ebenfalls bei Capriccio herausgekommen ist (C5172). Wieder begleitet Charles Spencer. Sie enthält die Lieder auf zwölf Gedichte von Justinus Kerner Op. 35, die sechs Vertonungen von Nikolaus Lenau, einschließlich das „Requiem“, das Schumann nach neuesten Forschungen nicht auf die – wie es im Booklet heißt – „anonyme Übersetzung eines alten Lateinischen Gedichts von Heloise und Abelard“ komponierte sondern im Werk des Schriftstellers, Übersetzers und Notars Lebrecht Dreves fand. Diese Gruppe trägt die Bezeichnung Op. 90. Dazwischen sind die Lieder „Es leuchtet meine Liebe“, „Mein Wagen rollet langsam“ und „Belsazar“, allesamt von Heinrich Heine gedichtet, gruppiert. Wenngleich die Ballade „Belsazar“ in dieser Aufnahme nicht ganz fünf Minuten beansprucht, gilt sie als die umfangreichste Liedkomposition Schumanns. Edelmann trägt sie ganz vorzüglich und spannungsreich vor. Sie hätte noch viel länger dauern können. Er ist auch diesmal sehr gut zu verstehen. Mir scheint, dass ihm das erzählerische Element, wie es Balladen eigen ist, mehr liegt als malerische Lyrik. Sein robuster Bariton kommt dabei besser zur Geltung. Nach Schubert und Schumann nun Johannes Brahms.

 

In einer Box bietet Capriccio auf drei CDs Die schöne Magelone an (C5225). Warum so umfangreich? Zunächst sind die fünfzehn Lieder so, wie sie der Komponist als Zyklus verstanden wissen wollte, separat zu hören. Zum anderen werden die selben Aufnahmen in verbindende und – was viel wichtiger ist – erklärenden Prosatexte aus der „Wundersamen Liebesgeschichte der schönen Magelone und des Grafen Peter von Provence“, die Ludwig Tieck nach einem alten Volksbuch neu erzählt hat, eingebunden. Brahms wollte diese Verknüpfung nicht und lehnte einen entsprechenden Vorschlag seines weitblickenden Verlegers ab. Für ihn sollten die Lieder, die er Romanzen nannte, für sich stehen. Er war seit frühester Jugend mit dem Werk Tiecks vertraut. Brahms irrte, indem er seine eigene literarische Bildung auch beim Publikum voraussetze. Wer die Prosatexte von Tieck nicht im Gedächtnis mit sich trägt, kann den Romanzen nicht in dem Maße folgen, wie es notwendig ist. Sie nehmen immer wieder direkten Bezug zum Ganzen. Deshalb wurde bei Einspielungen und im Konzert gern die Mischform gewählt. Dietrich Fischer-Dieskau und Brigitte Fassbaender – um zwei Interpreten zu nennen – haben sogar gesungen und gesprochen. Bei Paul Armin Edelmann tritt die österreichische Schauspielerin Julia Stemberger als Erzählerin in Erscheinung. Sie versieht die Erzählungen mit einem geheimnisvollen Hauch, was sehr passend ist für diese romantischen Dichtungen. Es macht Spaß, ihr zuzuhören. Edelmann bewegt sich mit seinem Vortrag auch in diesem Duktus. Eines geht über ins andere. Und es ist überhaupt nicht zu spüren, dass die Sprechtexte mit zwei Jahren Abstand gesondert produziert wurden. Capriccio ist eine empfehlenswerte Edition gelungen. Rüdiger Winter