Bei seiner früheren Plattenfirma Decca hat Matthias Goerne 1999 ein Album mit Bach-Kantaten aufgenommen, bei dem er von der Camerata Academica Salzburg unter Roger Norrington begleitet wurde. Der Bariton interpretierte in seiner Auswahl drei Kantaten – „Ich will den Kreuzstab gerne tragen“ (BWV 56), „Ich habe genug“ (BWV 82) und „Der Friede sei mit dir“ (BWV 158). Nun legt er bei harmonia mundi france die beiden ersten Kompositionen in einer neuen Interpretation vor und zeigt darin eine deutlich gewachsene Reife der Stimme und des Ausdrucks (HMM 902323). Sie klingt nun dunkler und voller, könnte auch in die Kategorie eines hohen Basses eingeordnet werden. Das lässt an den möglichen ersten Interpreten der Kantaten denken, den Leipziger Studenten Christoph Samuel Lipsius, der als Bassist von 1725 bis 27 in der Leipziger Kirchenmusik wirkte.
Die Kantate BWV 56 beginnt mit der Titel gebenden Arie „Ich will den Kreuzstab gerne tragen“, die Goerne mit samtiger Tongebung und beschwörendem Ausdruck anstimmt. Klang in der früheren Aufnahme die Stimme fokussierter, wirkt sie hier Raum greifender und spiritueller. Die zweite Arie „Endlich, endlich“ formuliert der Sänger mit energischem Zugriff, muss aber in den langen Koloraturketten das Volumen auffällig verschlanken. Zu berührend tröstendem Ausdruck findet Goerne im Rezitativ „Ich stehe fertig und bereit“.
BWV 82 beginnt gleichfalls mit der Arie, welche der Komposition den Titel gab: „Ich habe genug“. Deren Jenseitssehnsucht setzt der Bariton mit eindringlich flehendem Ausdruck und unendlich sanfter Stimmgebung um. Davon profitiert auch die große Arie „Schlummert ein“ im Zentrum der Komposition mit ihrem wiegendem Rhythmus, welche sich durch Goernes weichen, besänftigenden Ton nachdrücklich einprägt. Die Todeserwartung der letzten Arie „Ich freue mich auf meinen Tod“ gestaltete Bach als lebhaft beschwingten Tanzsatz und Goerne findet dafür einen atemlos drängenden, ekstatischen Duktus.
Diesmal begleitet den Solisten das Freiburger Barockorchester unter der kompetenten Leitung von Gottfried von der Goltz. Das Ensemble ergänzt das Programm mit dem Konzert für Oboe d’amore, das eine Rekonstruktion des Konzertes für Cembalo in A-Dur BWV 1055 darstellt. Dem Kopfsatz Allegro von heiter-anmutigem Charakter folgen ein Larghetto als wiegendes Siciliano und das Allegro man non tanto als hurtiges Menuett. Katharina Arfken musiziert das Konzert mit kantabler Tongebung und virtuoser Technik. Bernd Hoppe