Radamès an der Met, Cavaradossi in Covent Garden, der Berliner Staatsoper, der Bayerischen Staatsoper, der Semperoper und der Oper von Sydney, Calaf am Opernhaus Zürich und bei den Bregenzer Festspielen… Es geht nicht etwa um einen Sänger, der schon lange „im Geschäft“ ist, sondern um den jungen italienischen Tenor Riccardo Massi, der in gerade einmal sieben Jahren eine Traumkarriere hingelegt hat. Einem breiten Publikum wurde er 2015 als Calaf in der vom Fernsehen übertragenen und später auf DVD erschienenen Turandot-Produktion der Bregenzer Festspiele bekannt. Dieses Jahr trat er ebenfalls als Calaf in einer ähnlich spektakulären Open-air-Produktion aus dem Hafen von Sydney auf, die in vielen Kinosälen weltweit übertragen wurde. Für großes Aufsehen sorgte 2016 außerdem seine Interpretation des Milio in der Opera Rara Konzertaufführung und anschließenden CD-Neuerscheing von Zaza. Am Sonntag (4. Dezember 2016) steht Riccardo Massi nun in der neuen Manon Lescaut der Staatsoper im Schiller Theater in Berlin auf der Bühne. Mit operalounge.de sprach er über seine rasante Karriere, die gefürchtete Rolle des Des Grieux und über seine frühere Tätigkeit als Stuntman.
Wann begann Ihre Leidenschaft für Oper und den Gesang? Wer waren Ihre Lehrer und wo haben Sie studiert? Mein Vater hatte eine große Leidenschaft für die Oper, auch wenn er kein Musiker war. Ich wuchs mit den Aufnahmen der großen Sänger der goldenen Jahre der Oper auf, ich kam also bereits in sehr jungen Jahren mit der Oper in Kontakt. Nachdem ich meinen Schulabschluss machte, zog ich nach Rom, weil mein Bruder mich David Holst vorgestellt hatte, mein damaliger und heutiger Gesangslehrer.
Laut Ihrer Biografie gingen Sie einem recht ungewöhnlichen Beruf nach: Vor Ihrer Gesangslaufbahn haben Sie als Stuntman gearbeitet. Wie kam es dazu? Ich habe seit ich ein Kind bin Kampfsportarten wie Karate, Boxen, Thai-Boxen und Gemischte Kampfkünste betrieben. Als ich nach Rom zog, lernte ich zwei Meister in mittelalterlichem Fechten kennen (Schwerter und jegliche Art von Waffen, die zwischen 950 und 1300 n.C. verwendet wurden, bevor Feuerwaffen und Armbrust erfunden wurden). Ich lernte diese Disziplinen einige Jahre lang und einer meiner Lehrer war Stuntkoordinator. Er vermittelte mich und andere Schüler als Stuntmen. Das erforderte dann nochmal spezielles Training, da echte Kämpfe und Kämpfe in Filmen zwei verschiedene Welten sind. Dank diesem Beruf konnte ich einen großen Teil meines Gesangsstudiums bezahlen und auch heute noch profitiere ich von dieser ehemaligen Tätigkeit.
Sie waren Mitglied in einem der angesehensten Opernstudios der Welt, dem der Mailänder Scala. Wie kam es dazu? Ich habe mich dort beworben und es durch alle Runden geschafft, bis zum Finale, nach dem ich dort aufgenommen wurde (wir waren insgesamt 11 junge Sängerinnen und Sänger). Und es hatten sich über 900 Sänger aus der ganzen Welt beworben…
Im Dezember 2009 gaben Sie dann Ihr Operndebüt, und in nicht einmal sieben Jahren haben Sie an so gut wie allen wichtigen internationalen Bühnen gesungen. Ihr MET-Debüt gaben Sie nach nur drei Jahren auf der Bühne. Wie geht man mit einem derart schnellen und steilen Aufstieg an die Spitze des Opernbetriebs um? Mit beiden Füßen auf dem Boden; Ich weiß, welch eine große Ehre es ist, in diesen heiligen Hallen der Oper zu singen und ich danke Gott dafür… Aber im selben Moment bin ich mir bewusst, dass ein Sänger immer hart arbeiten und versuchen muss, seine Fähigkeiten als Darsteller und Musiker zu verbessern und außerdem seine Technik verfeinern sollte. Man darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen!
Ihr Repertoire setzt sich aus einigen der schwierigsten Partien des italienischen Repertoires zusammen. Wie wählen Sie Ihre Rollen aus? Oft kommt es vor, dass die Agentur eine Rolle vorschlägt; ich bespreche das Angebot mit meinem Lehrer und wir probieren es erstmal zu Hause aus. Wenn wir uns dann beide einig sind, sage ich zu. Manchmal schlage ich aber auch meiner Agentur Rollen vor, die ich bereits studiert habe und von denen ich weiß, dass sie mir gut in der Stimme liegen.
Sie haben gerade in einer besonders schweren Partie debütiert, die des Des Grieux in Puccinis Manon Lescaut, eine Rolle, vor der
sich sogar große Spintotenöre der Vergangenheit scheuten. Franco Corelli beispielsweise wurde mehrfach gefragt, die Partie zu singen aber hat immer abgelehnt. Was sind Ihrer Meinung nach die besonderen Herausforderungen der Rolle, und was macht sie im Vergleich zu anderen Puccinipartien so besonders?
Des Grieux ist wohl die anspruchsvollste aller Puccinirollen. Sie verlangt nach einer bestimmten stimmlichen Reife und stellt dem Sänger interessante Fragen bzgl. der Stimmtechnik. Ich habe die Rolle mit meinem Lehrer vorbereitet und wir haben gemeinsam entschieden, diesen großen Schritt zu gehen. Mir bietet die Rolle die Möglichkeit, als Sänger und Künstler neue Horizonte zu entdecken.
Wenn Sänger nach ihrer Lieblingspartie gefragt werden lautet die Antwort meist, dass es die Rolle sei, die der Sänger im Moment singt. Trifft das auch auf Sie zu? Und welche Rolle abgesehen von Des Grieux sagt Ihnen besonders zu? Nun ja, ich muss sagen, dass das eigentlich auch auf mich zutrifft. Vor allem, wenn man komplett in eine solche Rolle eintaucht. Wenn man solchen Meisterwerken gegenübersteht ist es eigentlich unmöglich, nicht völlig von der Musik und der Rolle eingenommen zu werden! Andere Rollen, von denen ich mich unwiderstehlich angezogen fühle sind alle großen Verdipartien, auch Andrea Chénier, Enzo Grimaldo, Cavaradossi und Calaf sowie viele Partien des französischen Fachs, besonders von Gounod und Massenet.
Was können Sie uns über die Manon -Lescaut-Produktion verraten, die am Sonntag an der Berliner Staatsoper im Schiller Theater Premiere haben wird? Jürgen Flimms Inszenierung ist sehr schön und vom Stil her sehr innovativ und faszinierend. Sie ist irgendwo zwischen den 20ern und 30ern in der schillernden Welt von Hollywood angesiedelt. Sowohl meine Kollegen, Dirigent und Regisseur sind wunderbar und es ist eine Freude für mich, mit ihnen zu arbeiten und Musik mit ihnen zu machen!
Was können Sie uns über Ihre Pläne nach Manon Lescaut in Berlin verraten? Welche neuen Rollen sind geplant? Nach dieser Manon Lescaut werde ich Weihnachten mit meiner Familie genießen, und Mitte Januar 2017 werde ich dann nach Tokyo fliegen, um mein Debüt am New National Theatre zu geben, als Pinkerton in Madama Butterfly. Im März reise ich nach New York, um als Radamès an die Metropolitan Opera zurückzukehren. Eine zukünftige neue Partie wird der Gabriele Adorno sein. Das Gespräch führte Dieter Schaffensberger
(Foto oben: Riccardo Massi/ Foto B. Ealovegak; der Tenor versichert, im Besitz der Fotorechte zu sein.)