Nach dem sehr vielversprechenden Auftakt der von Naxos verantworteten Reihe einer ersten Gesamteinspielung sämtlicher Ouvertüren von Daniel-François-Esprit Auber geht es nun in die nächste Runde, da Vol. 2 soeben erschienen ist (8.574006). Wiederum zeichnet das Tschechische Philharmonische Kammerorchester Pardubice unter Dario Salvi verantwortlich, was aufs Neue zum positiven Gesamteindruck beiträgt. Dieses Mal stehen bewusst ganz wenig bekannte Beispiele der Musik Aubers im Mittelpunkt. Insgesamt sieben Opern zwischen 1805 und 1834 wurden berücksichtigt, wobei streng genommen lediglich vier Ouvertüren darunter sind (Le Concert à la cour, ou La Débutante; Fiorella; Julie, ou L’Erreur d’un moment; Léocadie). Ansonsten handelt es sich um Entr’actes und Einleitungen zu diversen Opernakten, also deutlich kürzere und weniger ambitionierte Orchesterstücke (Lestocq, ou L’Intrigue et l’Amour; Couvin, ou Jean de Chimay; La Fiancée). In einem Fall, bei der Oper Julie, wurde zudem das zweiminütige instrumentale Finale beigefügt. Tatsächlich wird diesmal der „leichte“ Auber präsentiert, da keines der enthaltenen Stücke das Gewicht hat, welches man teilweise in Vol. 1 präsentiert bekam. Bis auf zwei Ausnahmen, die Ouvertüren zu Lécadie und Fiorella, handelt es sich durchgehend um Weltersteinspielungen, was die Sache für Liebhaber der französischen Musik des 19. Jahrhunderts freilich umso spannender macht. Wie gesagt, die Gewichtigkeit der Ouvertüren zu La Muette de Portici, Fra Diavolo, Gustave III oder auch Leicester (letztere bekannt aus Vol. 1) darf man diesmal nicht erwarten. Dies gilt auch für das Violinkonzert D-Dur mit der tadellosen Solistin Markéta Čepická, ein sehr frühes, dreisätziges Werk von weniger als 20 Minuten, entstanden um 1805, dessen Schlichtheit in keinem größeren Kontrast zum fast zeitgleichen Violinkonzert Beethovens in derselben Tonart stehen könnte. Gleichwohl liefert dann doch eben dieses Konzert mit seinem Tarantella-artigen Finalsatz womöglich den Höhepunkt dieser CD. Die Aufnahmen entstanden zwischen 4. und 7. Februar 2019 im Haus der Musik in Pardubice und repräsentieren auch technisch den hohen heutigen Standard des Labels. Eine wenig spektakuläre, für den Sammler gleichwohl unerlässliche Neuerscheinung und wichtige Ergänzung der Auber-Diskographie. Daniel Hauser
30Viele Melomanen erinnern sich gerne an die Kompilationen von Ouvertures, die in den goldenen Jahren der Schallplatte ihre Herzen erfreuten. Ob von einem einzigen Komponisten wie Beethoven und Rossini oder von unterschiedlichen Tonsetzern, stets freute man sich über Musikstücke, die selten im Konzertsaal oder auf LP und später auf CD zu hören waren. Waren es Opernouvertüren, dann waren diese Zusammenstellungen eine willkommene Einführung zu Bühnenwerken, die auf keinem Spielplan standen. In gewisser Hinsicht überahmen solche Platten dieselbe Funktion wie Übertragungen für ein zwei- oder vierhändiges Klavier im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Seit einiger Zeit sind solche Platten aus der Mode gekommen, vielleicht auch weil viele Theater inzwischen regelmässig Raritäten bieten.
Das Label Naxos hält hingegen an der Tradition fest und hat u.a. eine Anthologie der Sinfonie von Domenico Cimarosa auf 4 CDs veröffentlicht. Jetzt wird ein Zyklus mit den Ouvertüren des Daniel-François-Esprit Auber (1782-1871) gestartet. Auch von diesem Protagonisten der Pariser Oper in der ersten Hälfte des 19. Jh. liegen inzwischen mehrere Bühnenstücke vor. Trotzdem bietet sein umfangreicher Werkkatalog immer noch genügend Ungespieltes, um das Unternehmen zu rechtfertigen. Man hätte sicherlich auch noch mehr in den Archiven gefunden, aber Naxos hat den Fehler begangen, neben einigen Seltenheiten wie den Ouverüren zur „Ciracassienne“ (1861), der „Fiancée“ (1829) oder dem „Enfant prodigue“ (1850) auch inzwischen gut bekannte Stücke („Fra Diavolo“, „Le domino noir“) aufnehmen zu lassen. Ein Fehler, war das, weil dadurch die Mängel der Aufführung noch mehr auffallen. Von einem französischen Orchester wie dem Orchestre de Cannes würde man mindestens einen idiomatischen Zugang zum urfranzösischen Opernkomponisten Auber erwarten, am besten aber Esprit und jene unnachahmliche Mischung aus Ironie und Melancholik, welche die Partituren auszeichnet. Das Orchestre de Cannes klingt indes wie ein Kurorchester am Ende eines überaus anstrengenden Arbeitstages, und das bleierne Dirigat des Österreicher Wolfgang Dörner zeichnet sich durch eine an Stellen schwer erträgliche Schwerfälligkeit aus. Liebhaber der Opéra-comique, die sich diese CD aus Neugier antun wollen, sei empfohlen, ältere Aufnahmen mit Albert Wolff oder Richard Bonynge in Reichweite zu halten, um zu hören, wie Auber tatsächlich klingt (D.F.E. Auber, Overtures 1 (Circassienne, Cheval de bronze, Domino noir, Frau diavolo, Fiancée, Diamants de la couronne, Marco Spada, Enfant prodigue), Orchestre de Cannes, Wolfgang Dörner, CD Naxos 8573553). Michele Ferrari