Der norwegische Bariton Johannes Weisser (*1980) wurde in Kopenhagen ausgebildet, debütierte mit 23 Jahren an der Norwegischen Nationaloper sowie an der Komischen Oper Berlin und machte sich vor allem einen Namen durch mehrere Aufnahmen unter René Jacobs, darunter als Don Giovanni, den ich als recht schmalbrüstig in Erinnerung habe. Ähnlich dankbar wie Edvard Grieg mag Weisser sich möglicherweise an seinen Aufenthalt in Dänemark erinnern, dem Grieg in seinem Liedzyklus „Hjertets melodier“ nach Texten von H.C. Andersen, „der erste, der meine Werke wertvoll fand“, ein Denkmal setzte. Die vier Gedichte, die sich Grieg für op. 5 von Andersens 1830 entstandenen und durch Heine inspirierte „Lieder des Herzens“ aussuchte, machten ihn auf Anhieb berühmt. Darunter befindet sich „Jeg elsker dig! („Ich liebe dich“), das wohl berühmteste norwegische Liebeslied. Der Zyklus darf deshalb keinesfalls in Weissers Grieg-Programm Visiting Grieg (Simax Classics SACD PSC 1310) fehlen. Zu dem Besuch, den Weisser zusammen mit seinem Pianisten Sören Rastogi, Grieg bereits Ende 2008 und im Frühjahr 2009 abstattete, als die Aufnahme in Oslo entstand, gehören ferner vier Andersen-Vertonungen aus op. 18, zwei aus op. 26, die zwölf Lieder auf Gedichte von A.O. Vinje op. 33 und zwei Geibel- und Goethe-Lieder aus op. 48. Weissers jugendfrischer, sowohl sanfter wie stellenweise splitternd spröder Bariton umfasst die Lieder mit besonderer Anmut, so dass nicht nur „Jeg elsker dig“ und die Frühlingsgefühle im „Letzten Frühling“ mit gehaltvoller Melancholie und Kraft erklingen.
Mit dem Titel Fay away unterlegt der amerikanische Tenor Thomas Michael Allen (*1965) seiner von Beethoven bis Eisler und Weill reichenden Auswahl ein Programm das uns neugierig oder stutzig macht. Man darf sich von dem sicherlich wenig geschickt gewählten Anfang mit Beethovens „An die ferne Geliebte“, die Allen uninspiriert, matt und farblos singt, nicht abschrecken lassen, denn das im Juni 2011 in Wien in Zusammenarbeit mit dem akribisch und stilsicher begleitenden und sich vielleicht eine Spur zu sehr im Hintergrund haltenden Charles Spencer entstandene Programm (Capriccio (C5194) bietet außerordentliche Entdeckungen und zeigt Allen als überlegten, sprachlich eloquenten und empfindsamen Gestalter, so in Faurés „Mélodies de Venise“. Eine Entdeckung sind Zemlinskys volksliedleichte „Walzer-Gesänge nach Toskanischen Volksliedern von Ferdinand Gregorovius“ von 1898. Einen Höhepunkt der Aufnahme stellen Brittens „Seven Sonnets of Michaelangelo“ dar, die der auf der Opernbühne zwischen Barock und Britten pendelnde Allen mit feiner Distanziertheit und technischer Meisterschaft singt. Es schließen sich fünf „Mélodies passagères“ von Barber auf französische Texte an sowie von der „Endfremdung durch ihr Exil“ erzählende Lieder der Brecht-Mitarbeiter Eisler, darunter Beispiele aus dessen „Hollywood Songbook“, und Weill aus Street Scene und Lady in the Dark, wobei man sich für „My Ship“ und „Here I’ ll Stay“ bei aller exquisiten Klangschwelgerei einen etwas zupackenderen Ton wünschte.
Zu Brittens 100. Todestag erarbeitete der irische Tenor Robin Tritschler ein Programm, das neben den selten zu hörenden „Sechs Hölderlin-Fragmenten“ op. 61, einen Komponisten berücksichtigte, den Britten und Peter Pears mit Vorliebe in ihren Liederabenden einschlossen, Schubert. In seiner Einführung (WHLive 0071) erklärt Tritschler, dass er bewusst Lieder aus den für die Komponisten zentralen Jahren 1826 und 1958 wählte. Das Programm ist übersichtlich, was kein Nachteil sein soll, und beginnt mit den von Tritschler mit insistivem Ton gesungenen Hölderlin-Liedern, denen sich sechs in ausgezeichnetem Deutsch gesungenen Schubert-Lieder anschließen, darunter besonders gelungen „Im Freien“ und „An Silvia“, und endet mit Brittens „Five Folksong Arrangements“ und Schuberts „Trinklied“. Der bleiche, charaktertenorale Klang von Trischlers Tenor mag nicht unmittelbar bezaubern, doch im Verlauf des Live-Konzerts mit dem Pianisten Iain Burnside zeigen sich die Qualitäten seines sanften, achtsamen und sauberen Singens.
Durch seinen gehaltvollen Text macht Marcus Imbsweiler neugierig auf die zweite Ausgabe der Lieder von Peter Cornelius bei Naxos (8.572557), die vornehmlich Lieder auf Texte anderer Autoren beinhaltet, darunter Bürger, Eichendorff und Droste-Hülshoff, was insofern eine Besonderheit darstellt, da der Dichterkomponist rund die Hälfte seiner Lieder auf eigene Texte schuf. Christian Landshammer, der Tenor Markus Schäfer und die Baritone Hans Christoph Begemann und Mathias Hausmann widmeten sich – zusammen mit dem Pianisten Matthias Veit – 2010 und 2011 im Studio 2 des Bayerischen Rundfunks diesen in der Berliner Studentenzeit wie in der Wiener Zeit ab 1859 entstandenen Werken (Hebbel-Vertonungen), die einen hinhorchend geübten Lied-Hörer verlangen.
In Vorbereitung seines 175. Geburtstages nahmen Natalia Petrozhitskaya und Dmitry Zuev, Absolventen des Moskauer Konservatoriums, 2014 siebzehn Romanzen von Tschaikowsky auf (Mel CD 10 02278). Die Auswahl verschafft einen Überblick über das 100 Vertonungen umfassende Liedschaffen Tschaikowskys, von denen er etwa 70 als Romanzen bezeichnete, und reicht von „My Genius, My Angel, My Friend“ des 17jährigen Studenten bis zu dem letzten tragischen Monolog aus dem Todesjahr 1893, „Again, As before, alone“. Beide Sänger setzten auf süße Wehmut und Schmerz, führen auch dem nichtrussischen Zuhörer plastische Szenen vor Auge, so im Duett „Tears“. Der Bariton Dmitry Zuev, der viel an Moskaus zweiter Bühne, dem Stanislawski und Demirowitsch-Dantschenko-Theater, gesungen hat, scheint mir die auffallender Persönlichkeit, wenngleich sein Bariton oft rau, reif und heißer klingt, kreiert er in „Don Juans Serenade“ eine machtvolle Situation. Rolf Fath