Seine erste Oper, Anna Liisa, hatte der finnische Komponist Veli-Matti Puumala im Auftrag des Festivals von Savonlinna geschrieben. Uraufgeführt wurde sie 2008 im Rahmen des Helsinki-Festivals. Das Libretto geht auf das in Finnland berühmte gleichnamige Drama von Minna Canth zurück, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte, stark von Leo Tolstoi beeinflusst wurde und deren Theaterstück in mehr als 70 Produktionen gezeigt und mehrere Male verfilmt wurde. Die in zwei CDs vorliegende Vertonung allerdings ist die erste musikalische Umsetzung überhaupt.
Das Stück handelt von einer reichen Bauerntochter, die ein Verhältnis mit einem als Knecht auf dem Hof des Vaters arbeitenden Zigeuner eingeht, von diesem verlassen wird, ein Kind zur Welt bringt und dieses in einem Moment der Verwirrung erstickt. Die Mutter ihres Liebhabers, die zur Mitwisserin wurde, vergräbt die Leiche im Wald. Jahre später kehrt der Ex-Liebhaber ausgerechnet in dem Moment zurück, als Anna Liisa Hochzeit mit einem Bauernsohn halten will. Der Zurückgekehrte und seine Mutter pochen auf die älteren Rechte, drohen mit der Enthüllung des Geheimnisses, wenn er nicht auf den Hof einheiraten kann. Die entsetzten Eltern Anna Liisas willigen ein, weil sie Schmach und Schande fürchten, sollte der Kindesmord enthüllt werden. Anna Liisa jdoch, angeekelt von den Erpressungsversuchen und um endlich für die sie stets gequält habende Schuld zu büßen, stellt sich der irdischen Gerichtsbarkeit. Ein von der Gattin des Komponisten verfasster Prolog zeigt die junge Frau reflektierend und endlich mit sich selbst im Reinen in der Gefängniszelle. Das Werk galt vor ca. 150 Jahren, ähnlich wie Ibsens Nora in Norwegen, als Beispiel für weibliche Emanzipation.
Als schwierigste Aufgabe wertete der Komponist die Verknüpfung einer altertümlichen Sprache mit modernen musikalischen Mitteln. In der Oper verbindet sich Zwölftonmusik mit Elementen der finnischen Volksmusik, die vom Komponisten Toivo Kuula zu Beginn des 20 Jahrhunderts gesammelt worden war, für ein kleineres Orchester von 33 Musikern. Sie erzeugen eine Musik, die mal wie Sphärenklänge, mal bedrohlich wie ein Dräuen im Hintergrund, mal hart und trocken wie Schläge, so vor dem Wiegenlied ohne Orchesterbegleitung, klingen kann. Der Chor zeigt in seiner zeitweisen Allwissenheit Züge des Chors im griechischen Drama. Das sehr ausführliche Booklet enthält auch das Libretto in finnischer wie in englischer Sprache, so dass man ohne Schwierigkeiten der Handlung folgen kann.
Eine sehr anspruchsvolle Partie ist
die der Anna Liisa, für die Helena Juntunen eine warmen, runden Sopran hat, der auf den Höhepunkten der Erregung auch einmal leicht klirren kann, zarte Töne in der Erinnerung an das
Kind findet und insgesamt sehr expressiv eingesetzt wird. Einen knorrigen Bariton setzt Jorma Hynninen für ihren Vater ein, während Tanja Kauppinen sich als Mutter am besten im Duett mit der Tochter profilieren kann. Die jüngere Schwester Pirkko wird von Anu Hostikka mit zartem, frischem Mädchensopran gesungen. Die beiden rivalisierenden Verehrer sind den Stimmbändern von Ville Rusanen als Kindesvater Mikko mit schneidigem Charaktertenor und Juha Hostikka mit heldischem Tenor als Bräutigam Johannes anvertraut. Eine als Ethno-Mezzo-Soprano ausgewiesene Stimme hat Sanna Kurki-Suonio für die erpresserische Husso, was bedeutet, dass sie mehr keift als singt. In Deutschland dürfte das wegen drohenden Rassismusvorwurfs angreifbare Stück so nicht aufgeführt werden. Tröstliches verkündet der Bass von Jouni Kokra in der Rolle des Vikars (Ondine 1254 2D) Ingrid Wanja