Nach Aufnahmen bei Sony und Decca begeht der Marcelo Alvarez jetzt sein 20jähriges Bühnenjubiläum bei Delos (Delos DE 3472), für die er im April 2014 mit dem St. Petersburg State Symphony Orchestra unter Constantine Orbelian ins St. Petersburger Studio ging. Ein Schelm, wer dabei denkt, eine Karriere müsse anders aussehen. Die Auswahl der Arien von Giordano über Leoncavallo, Mascagni, Puccini bis zu Gomes, Cilea, Massenet, Halévy und Zandonai beinhaltet zahlreiche Raritäten, die den Mitte der 2000er Jahre
sanft vollzogenen Wechsel von den lyrischen Partien der Anfängerjahre zu den lirico spinto-Partien dokumentieren soll. Für die dramatischen Partien fehlen Alvarez‘ edlem Tenor meinem Empfinden nach ein Quäntchen kernig zupackender Machismo und eine geschärftere Attacke, doch auf dieser CD singt er durchgehend mit der schönen Rundung und Biegsamkeit seines wohligen Timbres, das er sich trotz kleiner Sprünge in der Lasur bewart hat, mit angemessener Leidenschaft und sich nach oben gut öffnender Glut. Allerdings erhalten die Figuren, darunter Leoncavallos 1896 uraufgeführter Chatterton, sein Rodolfo aus der im folgenden Jahr, also ein Jahr nach Puccinis Oper, uraufgeführten La Bohème, oder der Milio aus der Zaza von 1900, kein Gesicht; selbst der Canio, den Alvarez sich zusammen mit Turiddu für das kommende Frühjahr an der Met vorgenommen hat, wo er 1998 mit dem inzwischen mehr als 170 mal gesungenen Alfredo debütiert und auch Manrico, Cavaradossi, Radames und Andrea Chénier gesungen hat, wirkt etwas phlegmatisch. Rasch kommt da auch etwas Langeweile auf. Schön liegt Alvarez das durch Caruso und Gigli berühmt gewordene „Quando nascesti tu“ aus Lo Schiavo des Brasilianers Gomes, innig im feinen Pianozauber und gefühlvollen Vortrag. Eléazars „Rachel, quand du seigneur“ aus Halévys La juive, auch Rodrigues „O Souverain“ aus Massenets Le Cid, lassen an die wunderbar gelungen Aubade aus Lalos Le Roi d‘ Ys denken, die er einst für Sony eingespielt hat. Der Maurizio klingt angestrengt, Zandonais Romeo trotz des leidenschaftlichen Aufschwungs prosaisch.
R. F.