Von Paris nach Prag

 

Dass die Liebe zwischen einem Römern und einer druidischen Priesterin kein gutes Ende nehmen kann, wissen wir seit Bellinis Norma. Paul Dukas war keine 23 Jahre alt, als er 1888 eine ähnliche Geschichte nochmals aufwärmte, um mit der Kantate Velléda, zu der ihm Fernand Beissier den Text lieferte, den Prix de Rome zu gewinnen. Er hatte allerdings gegenüber Camille Erlanger das Nachsehen. François-Xavier Roth, der frisch gekürte Kölner GMD, hat die knapp halbstündige Scène lyrique mit dem auf historischen Instrumenten spielenden Orchester „Les Siècles“ und den Solisten Chantal Santon als Velléda, Julien Dran als Eudore und Jean-Manuel Candenot als Vellédas Vater Ségenax im April 2011 in Venedigs Scuola di San Rocco, jener durch ihre Tintorettos berühmt venezianischen Schule, live aufgenommen. Im knapp bemessenen Korsett der drei Szenen bietet Dukas viel auf an dramatischem Feuer und sinnlicher Glut, an verführerischen Orchesterfarben mit viel Harfen- und Hörner-Glanz sowie vokaler Hingabe im Stil Gounods und Massenets, dass jedermann Dukas eine Zukunft als Opernkomponist prophezeit hätte. Es ist anders gekommen. Roth hat die sehr hörenswerte Kantate mit dem nicht erst seit Walt Disney bekanntesten Stück von Dukas, dem Orchesterscherzo Der Zauberlehrling von 1897, und der wuchtig spektakulären Polyeucte- Ouvertüre von 1891 gekoppelt. Mit rund 55 Minuten ist die CD nicht übervoll. Da hätte auch noch das neben dem Zauberlehrling bekannteste Stück von Dukas, das Péri-Ballett, Platz gehabt.

Gut 50 Minuten dauern auch die vier Suiten aus Alcione von Marin Marais, der zu den großen Viola da Gambisten um die Wende zum 18. Jahrhundert gehörte und  vier Opern schrieb, von denen Alcione und Sémélé erhalten sind. Die aus der griechischen Mythologie und durch Ovid überlieferte Geschichte der Alcione war auf Anhieb ein Erfolg, und die Oper wurde in Paris über mehrere Jahrzehnte immer wieder ins Repertoire aufgenommen. In seiner aus dem Jahr 1993 stammenden Aufnahme packt Jordi Savall die Instrumentalmusik der Alcione in vier Suiten, die einen weiten Eindruck von der effektvollen Farbigkeit und der mannigfaltigen Instrumentalkunst des Marin Marais geben; berühmt wurde die Sturmszene des vierten Aktes. Eine moderne Aufnahme würde manches möglicherweise noch pointierter und leidenschaftlicher einfangen.

Etwa aus der gleichen Zeit, aus den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts, stammen die wunderbaren Beispiele einer reichen, brillanten und souveränen Musik, die die böhmischen Schüler von Johann Joseph Fux nach dem Vorbild des Wiener Hofs an der katholischen Hofkirche in Dresden, in Prag und auf den mährischen Adelssitzen pflegten. In der Supraphon-Serie „Music from the Eighteenth-Century Prague“ widmet sich eine CD den Bohemian Disciplines of Johann Joseph Fux (SU 4160-2). Neben dem Stabat Mater des Franz Ignaz Anton Tůma beinhaltet sie mehrere geistliche Stücke des durch den neapolitanischen Stil beeinflussten Jan Dismas Zelenka. Unter Václav Luks musizierten in den Prager Studios im Novemberund Dezember 2013 das von ihm 1991 gegründete Collegium 1704 und Collegium Vocale 1704.          

R. F.

 

Paul Dukas: L’Apprenti Sorcier . Velléda . Polyeucte mit Les Siècles; Leitung: François-Xavier Roth; Musicales Actes Sud

Marin Marais: Alcione: Suites des Airs à jouer (1706) mit Le Concert Des Nations; Leitung: Jordi Savall; AllaVox AVSA9903

 

Zelenka . Tůma: Bohemian Disciplines of Johann Joseph Fux/Stabat Mater g-moll/ Sanctus et Agnus Dei d-moll u.a; Collegium 1704 . Collegium Vocale 1704; Leitung: Václav Luks; Supraphon SU 4160-2