Die Wiederveröffentlichung dieser ursprünglich bei der DGG erschienenen Aufnahme von Albert Lortzings Wildschütz beim Label Brilliant Classics (94701) weckt Reminiszenzen an ihre Entstehungszeit, Anfang der achtziger Jahre. Damals wurden von den großen Labels noch reichlich Opern im Studio produziert, mitunter – wie hier – auch in der damaligen DDR. Die Produktionskosten waren dort niedriger, gute Orchester standen zur Verfügung, auch einige Rollen wurden jeweils mit einheimischen Sängern besetzt. In dieser Zeit war Bernhard Klee ein gerne eingesetzter Dirigent, er war (und ist) vielleicht nicht ganz zufällig der Ehemann von Edith Mathis, die damals eine der bevorzugten Exklusiv-Künstlerinnen der DGG war. Das Private ist eben immer auch (besetzungs-)politisch.
Offenbar wollte die Firma damals den noch aus den sechziger Jahren stammenden Wildschütz unter Robert Heger mit Fritz Wunderlich (EMI) aus dem Katalog verdrängen, aber der ältlich klingende Peter Schreier als Baron Kronthal verfügt nicht annähernd über das Charisma und die Schönheit des Timbres von Wunderlich. Was dieser Aufnahme eindeutig fehlt, ist der ganz große Star. Alle Beteiligten schlagen sich tapfer, allen voran der grundsolide Hans Sotin als Baculus, auch der Bariton Gottfried Hornik kann als Graf durchaus gefallen.
Gut besetzt sind auch die weiblichen Rollen, Edith Mathis findet mühelos den leicht frivolen Ton für die Baronin Freimann, Gertrud Ottenthal ist eine höhensichere Nanette. Mit Erstaunen nimmt man zur Kenntnis, dass Doris Soffel damals bereits die Gräfin gesungen hat. Es spricht für diese Sängerin, dass sie noch heute in guter Form international zu hören und zu sehen ist. Die Staatskapelle und der Rundfunkchor Berlin spielen und singen durchaus schmissig und launig, aber warum nur kommt mir beim Hören ständig das Wort „altbacken“ in den Sinn? Ist Lortzing wirklich nicht mehr zeitgemäß? Hat uns die Verdrängung der leichteren Spielopern aus dem Repertoire dieser Musik entwöhnt? Vielleicht ist es aber doch der fehlende Esprit dieser Aufnahme.
Peter Sommeregger