Reiner Süss

 

Der Bassbariton Rainer Süß ist tot. Er starb bereits am 29. Januar 2015 im Alter von 84 Jahren in einem Pflegeheim, wie erst jetzt bekannt wurde. Süß stammte aus Chemnitz, war Mitglied des Thomanerchors und ließ sich später als Solist ausbilden. Sein erstes Engagement führte ihn nach Bernburg. Darauf folgte das Landestheater Halle. 1959 wurde er an die Deutsche Staatsoper in Berlin verpflichtet, wo er bereits im Jahr darauf in der Neuinszenierung des Rosenkavalier von Richard Strauss den Ochs übernahm. Die 28 Jahre ältere Clara Ebers als Marschallin hätte seine Mutter sein können. In der Rolle des Octavian trat Ludmila Dvorakova aus Prag ihre erfolgreiche Karriere an diesem Haus an. Der Ochs führte Süß im Jahr 1967 sogar ein einziges Mal an die Wiener Staatsoper. In Berlin trat er in unterschiedlichsten Partien in Erscheinung, wozu auch Leporello, Osmin, Kezal, Falstaff in den Lustigen Weibern von Windsor und der Bartolo in der legendären Inszenierung des Barbier von Sevilla von Ruth Berghaus gehörte. In Uraufführungen von Opern von Paul Dessau hinterließ er vor allem als Puntila neben seinem Knecht Matti von Kurt Rehm starken Eindruck. Ich schätzte ihn in solchen Rollen mehr als im komischen Fach, das er gern mit eigenen Einlagen und Übertreibungen versah, was nicht jedermanns (und mein) Geschmack war.

Süß polarisierte, weil er sich zunehmend auch in Unterhaltungsshows betätigte. Seine eigenen Sendung „Da liegt Musike drin“ aus dem Haus der heiteren Muse in Leipzig, die auch im DDR-Fernsehen lief, machte ihm bei einem breiten Publikum bekannt, das mit Opern von Dessau nicht so viel anzufangen wusste. Süß wurde weniger wegen seines Timbres als durch seine Vielseitigkeit und Umtriebigkeit geschätzt. Mir sagte die nasale Stimme nie zu. Jürgen Kesting erwähnt ihn auch in der neuen Auflage seines Standardwerkes „Die großen Sänger“ in nunmehr vier dicken Bänden auf zweieinhalbtausend Seiten mit keinem Wort. Im ostdeutschen Fernsehen war er noch im hohen Alter hin und wieder zu sehen, sogar in einem „Polizeiruf“ aus Halle, wo er sich als Kammersänger selbst spielt.

Reiner Süß hat viele Schallplatten hinterlassen. Dazu gehört auch der Puntila von 1966. Im Eterna-Radamisto ist er der Farasmene, im berühmten Tannhäuser der EMI mit Elisabeth Grümmer und Hans Hopf der Reinmar von Zweter. Bei Sony Music / Hansa Amiga (97 66304-2) wurden unter dem Titel „Dunkelrote Rosen“ (siehe oben) seine – wie es heißt – größten Erfolge zusammengestellt. Das Programm besteht aus Unterhaltungsliedern, Opern sind nicht darunter. Nach dem Fall der Mauer betätigte sich Süß, der in der DDR mit hohen Auszeichnungen geehrt wurde, auch politisch, trat in die SPD ein, saß zunächst für diese Partei in der Ost-Berliner Stadtverordneten-Versammlung, später sogar im Abgeordnetenhaus. Seine Erinnerungen „Da lag Musike drin“ erschienen 2010. Rüdiger Winter