István Kertész (Foto oben/Decca) verunglückte 1973 nur 43-jährig in der Blütezeit seines Schaffens bei einem Badeunfall im Mittelmeer. Als Dirigent von seltener Begabung hatte er das internationale Konzertleben zuvor mit unverkennbarer Handschrift geprägt. Der 1928 in Budapest geborene Kertész war im Konzertsaal wie im Opernhaus gleichermaßen beheimatet. Sein besonderes Augenmerk galt dem Kernrepertoire der Klassik und Romantik ebenso wie weiten Teilen der Musik des 20. Jahrhunderts. Kertész war ein unermüdlicher Vorkämpfer für die Werke von Bartók, Strawinski und Henze. Unter seiner Leitung wurde 1966 Benjamin Brittens Billy Budd erstmals vor deutschem Publikum aufgeführt.
Als Dirigent pflegte István Kertész einen Stil der Zurückhaltung und peinlich genauer Werktreue. Obgleich Kertesz‘ Interpretationen durch seine wahrhaftige Musikalität weit mehr beeindruckten als durch individualistischen Gestaltungswillen, waren sie doch stets von großer Dramatik durchdrungen. Man bewunderte den Dirigenten für eine tiefempfundene und zuweilen überschwängliche Wärme der Überzeugung, mit der er die Werke, an die er glaubte, dirigierte. Transparenz, eine sich Manierismen enthaltende Phrasierungskunst und ein elastische Tempogestaltung ohne Preisgabe struktureller Kohärenz kennzeichneten sein Musizieren.
István Kertész in London: Legendenstatus erwarb sich István Kertész während seiner Zeit beim London Symphony Orchestra. Von 1965 bis 1968 leitete er das Orchester als Chefdirigent. Die Plattenfirma Decca dokumentierte diese kurze, doch ungemein fruchtbare Zusammenarbeit in einer Reihe preisgekrönter Aufnahmen von herausragender Klangqualität. In der limitierten Edition István Kertész – The London Years erscheinen nun die Höhepunkte auf 12CDs.
István Kertész hinterließ seine wohl berühmteste Aufnahme mit der Oper Herzog Blaubarts Burg mit Christa Ludwig in der Rolle der Judith und Walter Berry in der Titelrolle. Seine 1965 mit dem London Symphony Orchestra im Studio aufgezeichnete Interpretation des schwierigen, brodelnden Werks von Bartók gilt noch heute als unübertroffen. 1968 entstand für Decca die erste im Westen produzierte Gesamtaufnahme von Kodálys Singspiel Háry János mit ungarischen Vokalisten wie Erzebet Komlossy, Gyorgy Melis und Laszlo Palocz unter Kertesz‘ Leitung. Die Rolle als Erzähler übernahm Sir Peter Ustinov.
Zudem beinhaltet István Kertész – The London Years die von dem Dirigenten und dem London Symphony Orchestra im Rahmen ihrer hochgelobten Gesamtaufnahme eingespielten Dvořák-Symphonien Nr. 7 & 8 sowie Klavierkonzerte von Mozart (Clifford Curzon, Klavier), Ravel und Prokofjew (beide mit Pianist Julius Katchen). Eine Auswahl von Werken Brahms, Bruckner, Strauss und Respighi rundet diese schöne Edition ab. (Universal)