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Auf dem Papier oder vielmehr dem Cover der Bluray mit Verdis Falstaff scheint sich der Himmel für den Opernliebhaber zu öffnen: die ideale Besetzung in fast allen Partien, die Wiener Philharmoniker in Salzburg und natürlich mit Herbert von Karajan, der auch Regie geführt hat. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1982, als man generell noch vor Regieabstrusitäten sicher war.
Optisch wirkt die Bühne von Günther Schneider-Siemssen mit ihren naturalistischen Pappkulissen doch recht verstaubt und altmodisch, dazu kommt zumindest für den Park von Windsor noch Karajans Vorliebe für eine dunkle Bühne zum Tragen, die einst eine Birgit Nilsson zum Scherz mit der Grubenleuchte trieb. Eine Spur zu kostbar sind die Kostüme von Georges Wakhevitch, so könnte die Alice gut und gern auch als Maria Stuart oder Elisabetta aus Don Carlo durchgehen, und auch Falstaffs Festkleidung scheint im Wirtshaus zum Hosenbandorden gut gepflegt worden zu sein. Insgesamt aber erfreut man sich an der liebevollen Sorgfalt, mit der Falstaffs Behausung wie Fords Heim ausgestattet wurden, und an der Phantasie, mit der die Kostüme des Elfenvolks im letzten Bild bedacht wurden.
Was heute Ambrogio Maestri ist, war zu seiner Zeit Giuseppe Taddei, ohne den beinahe keine hochkarätige Falstaff-Produktion denkbar war. Darstellerisch ist er noch immer die Erfüllung mit seiner Ausgewogenheit zwischen derber Komik und feinem Humor, zwischen Resten von Nobilität und weinseliger Kreatürlichkeit. Vokal ist der Bariton allerdings über den Zenit seiner Fähigkeiten bereits hinaus, wobei man sich immer wieder fragt, ob das häufige Verfallen in den Sprechgesang, das unangenehme Chargieren, die Lautverzerrungen dem Alter oder den Anweisungen der Regie zu verdanken sind. Zumindest bei „Va, vecchio John“, das im ersten Bild zerpflückt, in der Wiederholung im zweiten Akt jedoch mit schönem Legato gesungen wird, neigt man dazu, an Absicht und nicht an Unvermögen zu glauben. Der zweite Star der Aufnahme ist Christa Ludwig, die nicht wie eine Feodora Barbieri ihr „Reverenza“ und „povera donna“ extrem orgelnd ausreizt, sondern die durchweg zwar farbig-vollmundig auftritt, aber sehr geschmackvoll bleibt. Nicht ganz die Tragödin ablegen kann Raina Kabaivanska als Alice, die mit leuchtendem Sopran wie darstellerischer Souveränität die Szene beherrscht. Wie kaum ein anderer Dirigent unterstützt Karajan ihren Hang zu weit ausladender Phrasierung. Eine Luxusbesetzung für die Meg ist Trudeliese Schmidt, mit zartem lyrischem Sopran beschwört Janet Perry als Nannetta das Volk der Elfen.
Einen schmucken Fenton gibt Francisco Araiza mit italienisch geschultem Tenor, Rolando Panerai hat nicht oder hat nicht mehr das Volumen für einen souveränen Ford, so dass er als ungehobelter Polterkopf mit Timbrespreizung erscheinen muss. Ganz besonders er weicht in Verismogesang aus, wenn die generöse Gesangslinie nicht mehr gelingt. Ungehobelt klingt der Pistola von Federico Davià , als auch vorzüglicher Schauspieler erweist sich Heinz Zednik als Bardolfo, Piero de Palma ist ein wunderbar textverständlicher Dr. Cajus. Walter Hagen-Groll, auch den Berlinern bestens bekannt, hat den im letzten Bild trotz aller Turbulenzen sicheren Chor einstudiert, das Orchester ist überaus freundlich zu den Solisten, um umso mehr entfaltet es luxuriöse Klangpracht, wenn dies ohne vokale Verluste möglich ist (C-Major 761504). Ingrid Wanja