William Dooley

 

An William Dooley erinnere ich mich gut. Er war im damaligen West-Berlin der Sechziger und Siebzieger eine bekannte Erscheinung, verkehrte viel in Sängerkreisen um Barrie McDaniel herum, war ein viel gesehener Gast im Kaufhaus KaDeWe und in den sozialen Einrichtungen der Stadt. Er war hochgewachsen, von sportlichem Aussehen und flotter Rede mit starkem Akzent wie die meisten amerikanischen Sänger an der Deutschen Oper jener Jahre. Denn es gab viele von ihnen. Spätestens als die DOB 1961 vom Theater des Westens (der ehemaligen westlichen Städtischen Oper der Nachkriegszeit) in ihr neues Domizil an der Bismarckstrasse umzog, waren die amerikanischen Künstler hier unentbehrlich. Annabelle Bernard bediente das Spintofach der italienischen Oper (aber auch Rollen wie Offenbachs kalkweiss geschminkte Antonia neben Thomas Tipton in Kaslicks denkwürdiger Drehbühnen-Inszenierung), ohne Barrie McDaniel und Donald Grobe ging nichts in Mozart-Opern, aber auch in anderen wie dem Jungen Lord konnte man die Flexibilität der beiden bewundern (Catherine Gayer erwähne ich nur zähneknirschend).

Und da war, neben vielen anderen wie dem wunderbaren Robert („Bobby“) Kerns als hinreißender Bariton alternierend mit George Fortune in den italienischen und französischen Partien (Fortunes Barnabà gehört zu den großen Momenten meiner Erinnerungen), eben William Dooley als Bass vom Dienst in fast jeder Salome. Aus der Zisterne blickte er auf Anja Silja oder Leonie Rysanek, war Graf zu Elisabeth Grümmers oder Pilar Lorengars Gräfinnen im Figaro oder Donnen im Don Giovanni, war Telramund zur Elsa ersterer, auch Posa zu Josef Greindles Philipp als Fischer-Dieskau die Rolle am Hause nicht mehr sang, war Beethovens Don Pizarro zu Gré Brouwenstijns nicht nur optisch robuster Leonore, auch Faninal zur Grümmer und Bote in der Frau ohne Schatten zu Gladys Kuchta. Viele Abende mehr, seit 1962.  

Gemeiner Weise hörten die gutgepflegten Fans (es gab eine richtige Kultur der Kaffee-Einladungen im Hause der Sänger, auch eine gutgeölte Claque in jenen Jahren, die hörbar enthusiastisch für Jubel sorgte) die amerikanischen Sänger meist in der zweiten Reihe der Hauskräfte. Kamen illustre Gäste wurde sie von denen ersetzt als Mandryka, Figaro-Graf, Don Giovanni oder Telramund (eine der eindrucksvollsten Partien Dooleys). Das war bitter, aber so war´s eben. Selten fiel internationaler Glanz auf sie – immerhin gibt es so aufregende Mitschnitte wie Mercadantes Giuramento 1974, wo Annabelle Bernard im Kreise des jungen Carreras, der dto. Agnes Baltsa und Robert Kerns glänzen darf. William Dooley werde ich auch nicht für seinen Macbeth neben der großartigen Gladys Kuchta vergessen (DOB 1963), den er zerrissen und differenziert herüber brachte, während die Kuchta – unsere Haus-Heldische – einen ungewohnten und erfolgreichen Ausflug zu Verdi unternahm, sonst eigentlich auf Wagner und Strauss festgelegt war (ich bitte ihr heute vieles ab, denn sie war eine wirklich gute und solide Sängerin, damals seufzten wir oft…). So war Dooley in West-Berlin Teil eines festen, von Amerikanern geprägten Ensembles, das den Spielplan belebte und dem Opernleben ein ganz eigenes Gesicht gab. Es waren ab 1962 auch meine Lehr-und Lernjahre in Sachen Oper, und William Dooley war ein fester Teil davon. Er starb am 8. August 2019. Ich ziehe meine  Hut vor ihm und seiner unvergessenen Persönlichkeit. Geerd Heinsen

 

Ein Nachruf von William Dooleys Berliner Stamhaus, der Deutschen Oper Berlin, findet sich nicht, so greifen wir auf den von unseren Kollegen des Wiener online-Merkers zurück (Danke!). William Dooley, geboren am 9. September 1932 in Modesto (Kalifornien); 1950-54 studierte er an der Eastman School of Music in Rochester bei Lucy Lee Callund und kam dann für zwei Jahre als Soldat nach München. Hier wurde er Schüler der Pädagoginnen Viktoria Prestel und Hedwig Fichtmüller. 1957 debütierte er am Stadttheater von Heidelberg als Posa im »Don Carlos« von Verdi, begann dabei aber gleichzeitig eine erfolgreiche Karriere als Konzert- und Liedersänger. 1959-62 war er am Stadttheater von Bielefeld engagiert. 1962 folgte er einem Ruf an die Deutsche Oper Berlin, an der seine Karriere den Höhepunkt erreichte, und wo er eine Vielzahl von großen Baritonpartien sang. 1964 wirkte er bei den Festspielen von Salzburg als Titelheld in »Lucio Silla« von Mozart, 1966 als Escamillo in »Carmen« und am 6.8.1966 in der Uraufführung der Oper »Die Bassariden« von H.W. Henze (als Hauptmann und Adonis) mit. 1964 wurde er Mitglied der Metropolitan Oper New York (Debüt als Titelheld im »Eugen Onegin« von Tschaikowsky). Er blieb an diesem Haus während 14 Spielzeiten engagiert und trat dort bis 1977 in 26 verschiedenen Partien in insgesamt 188 Vorstellungen auf:  als Heerrufer und als Telramund im »Lohengrin«, in den vier dämonischen Rollen in »Hoffmanns Erzählungen«, als Graf in »Le nozze di Figaro«, als Jochanaan in »Salome« von R. Strauss, in der Titelrolle von A. Bergs »Wozzeck«, als Mandryka in »Arabella« von R. Strauss, als Großinquisitor im »Don Carlos« von Verdi, als Don Pizarro im »Fidelio«, als Geisterbote in der »Frau ohne Schatten« von R. Strauss, als Orest in »Elektra« von R. Strauss, als Escamillo, als Scarpia in »Tosca«, als Sprecher in der »Zauberflöte«, als Fliegender Holländer, als Amonasro in »Aida«, als Musiklehrer in »Ariadne auf Naxos« von R. Strauss, als Amfortas im »Parsifal«, als Kurwenal in »Tristan und Isolde«, als Faninal im »Rosenkavalier«, als Gunther in der »Götterdämmerung«, als Rangoni in »Boris Godunow«, als Donner im »Rheingold« und als Marquis de la Force in »Dialogues des Carmélites« von Fr. Poulenc. In Europa wie in Nordamerika setzte er seine große Karriere als Konzertsänger fort. Seit 1967 trat er oft an der Königlichen Oper Kopenhagen auf. 1977-82 gastierte er in insgesamt 19 Vorstellungen an der Staatsoper von Wien (als Amfortas, als Sprecher in der »Zauberflöte«, als Jochanaan, als Kurwenal, als Faninal, als Don Pizarro und als Fliegender Holländer). Er sang in zahlreichen Uraufführungen zeitgenössischer Opernwerke: 1963 an der Deutschen Oper Berlin in der »Orestie« von Darius Milhaud (den Apollo) und 1964 in »Cortez« von Roger Sessions (den Montezuma), 1965 in »Der Traum des Liu-Tung« von Isang Yun (Uraufführung in der Akademie der Künste Berlin), 1976 an der Deutschen Oper Berlin in »Der Tempelbrand« von Toshiro Mayuzumi, 1979 in Hamburg in »Jakob Lenz« von W. Rihm (den Oberlin), 1984 an der Deutschen Oper Berlin in A. Reimanns »Gespenstersonate«, 1989 in Los Angeles in »Los Alamos« von Marc Neikrug. 1987 gastierte er an der Deutschen Oper Berlin, 1991 an der Oper von Santa Fé als Tiresias in »Oedipus« von W. Rihm. Weitere Bühnenpartien: Kothner in »Die Meistersinger von Nürnberg«, Macbeth von Verdi, Dr. Schön in »Lulu« von A. Berg, Baron d´Houdoux in »Neues vom Tage« von P. Hindemith, Gorjantschikow in Janáceks »Aus einem Totenhaus«, Nick Shadow in »The Rake´s Progress« von Strawinsky, Major Mary in »Die Soldaten« von B.A. Zimmermann.

Auf RCA sang er den Telramund in einer vollständigen Aufnahme des »Lohengrin«, auf Harmonia mundi in »Jakob Lenz« von Wolfgang Rihm. (Danke noch einmal an den online-Merker Wien! Foto oben: William Dooley als Figaro-Conte an der Met/ Melancon/ Met Archive; G. H.)

 

  1. Haakon Schaub

    Iich habe William Dooley leider nie live hören dürfen! Ich durfte die Stimme aber auf einigen Tondokumenten „ganz beeindruckend“ bestaunen! Wunderbar und äußerst informativ liest sich ihre „Hommage“ an Willam Dooley!
    Bei der Suche nach mehr Informationen über den Bariton, bin ich auf einigen US-Seiten darauf gestoßen, das Mr Dolley bereits am 02.07.2019 verstorben sein soll, und nicht wie bei Ihnen aufgeführt Anfang August! Aber nichts genaues weiß man. Ich füge die LInks mit den zusätzlichen Daten gerne bei:
    https://www.operanews.com/Opera_News_Magazine/2019/7/News/William_Dooley.html
    https://wikimili.com/en/William_Dooley. Möge Mr Dooley in Frieden ruhn!

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  2. Dorothea Laukant

    Danke für den Artikel über „unsere“ amerikanischen Sänger – ich hab sie eigentlich alle sehr geschätzt. Natürlich gab es hier und dort auch Einschränkungen, aber mir war z.B. eine Gladys Kuchta in Hochform lieber als Birgit Nilsson, weil sie einfch die wärmere STimme hatte. Und der Willy war in fast allen dramatischen Partien gut aufgehoben!! Übrigens gibt’s unseren Macbeth auf irgend einer Piraten-CD.
    Liebe Grüße nach Berlin

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