Elio Boncompagni

 

Der italienische Dirigent Elio Boncompagni starb im Alter von 86 Jahren in Florenz. Boncompagni (* 8. Mai 1933 in Caprese Michelangelo; † 9. November 2019) galt als begnadeter Begleiter und profunder Kenner des italienischen Repertoires, als solcher dirigierte er in den Jahren 1986 bis 1991 auch an der Wiener Staatsoper mehr als 30 Vorstellungen von Opern Puccinis und Verdis. Der 1933 in Caprese Michelangelo geborene Boncompagni war zunächst Assistent von Tullio Serafin, ehe er seine eigene Dirigentenkarriere begann. Einige wichtige Stationen seiner künstlerischen Laufbahn waren der Chefdirigent am Théâtre de la Monnaie in Brüssel, ständige Dirigate des italienischen Repertoires im königlichen Theater in Stockholm und der Chefdirigent am San Carlo in Neapel.

In den Jahren 1996 bis 2002 war Maestro Boncompagni Generalmusikdirektor in Aachen, wo er sich vor allem um Wiederaufführungen von Opern Donizettis verdient gemacht hat. Er rekonstruierte mit großem Erfolg die Wiener Fassungen von Maria di Rohan (2000 mit Kathleen Cassello und Dario Schmunck) und Don Sebastiano (1998), von letzterer Oper wurde im Theater von Aachen auch ein CD-Mitschnitt gemacht. Den portugiesischen König hat damals Robert Woroniecki gesungen, als Zaida war Monica Minarelli und als Camoens Ettore Kim zu hören.

„Wiederherstellung von Elio Boncompagni in der von Donizetti selbst sanktionierten italienischen Übersetzung von Giovanni Ruffini 1844, unter wissenschaftlicher Mitarbeit von Professor Leopold Kantner, Universität Wien, April 1996“ steht auf dem Titelblatt der rekonstruierten Partitur von Don Sebastiano. 1996 hatte Boncompagni die Oper konzertant in Stuttgart dirigiert, Anfang 1998 kam es zu den Aufführungen in Aachen. Im November 1997 brachte die „Opernwelt“ ein ausführliches Gespräch mit dem Maestro. Übertitelt mit „Don Sebastiano, misshandelt und wiederhergestellt“ erzählt Boncmpagni über die Uraufführung in Paris am 13. November 1843: Der Anklang, den die Oper beim Publikum fand war groß – wenn auch nicht ganz so heftig wie in Wien. Immerhin hieß es damals in Paris, Donizetti habe Meyerbeer mit dem „Dom Sébastien“ von dessen Thron gestoßen. Die Kritiker stießen sich am ungewohnten Tonfall des Werks; sie fanden „Maria di Rohan“, von der tags darauf am Théatre Italien eine gegenüber der Wiener Aufführung erweiterte Fassung herauskam, viel besser und dem Komponisten weitaus adäquater. Man muss sich das übrigens vorstellen: zwei Uraufführungen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in einer Weltstadt. Davon können Komponisten nur träumen … Wie er auf diese Oper kam, erklärte der Maestro wie folgt: Ich habe all die Jahre lang viele unbekannte Donizetti-Opern dirigiert, zum Beispiel „Marino Faliero“ oder auch „Caterina Cornaro“. Den „Don Sebastiano“ kannte ich schon lange, aber über die endgültige Version Donizettis hatte ich wenig Information. Mit den Jahren wurde der Wunsch immer größer, das Werk aufzuführen, und da der Verlag Ricordi nicht wirklich daran interessiert schien – auf meine diesbezüglichen Anfragen gab man mir immer hinhaltende Antworten –, habe ich mich quasi als Einzelkämpfer auf die Spurensuche gemacht. Vor allem die Nationalbibliothek in Wien war mir in dieser Hinsicht sehr hilfreich, dort stöberte ich beispielsweise Donizettis handschriftliche Partitur der Wiener Aufführung auf; wichtige Unterstützung fand ich bei Professor Leopold Kantner an der Universität Wien.

Geringschätzenden Beurteilungen dieser Oper hält Boncompagni entgegen: Ich bin absolut anderer Meinung. Das Werk ist in Wien zwanzig Jahre ohne Unterbrechung gespielt worden, von 1845 bis 1865. Das Publikum müsste also extrem ignorant gewesen sein, um vermeintliche Schwächen nicht zu merken und dem „Sebastiano“ zu einer Aufführungszahl von hundertdreißig Vorstellungen zu verhelfen. Hier ist ein völlig anderer Donizetti am Werk, ein anderer sogar als noch in „Maria di Rohan“. Wie verführerisch, sich vorzustellen, wohin ihn diese neue Linie noch geführt hätte; wie tragisch, dass seine Krankheit all dem ein Ende gemacht hat. Alfred Gänsthaler

 

Den Nachruf entnahmen wir dem monatlichen Mitteilungsblatt der Wiener Freunde der Musik Gaetano Donizetti, Ausgabe Dezember 2019 mit sehr freundlicher Genehmigung des Autors, der zugleich auch der Obmann des Vereins der Freunde der Musik Gaetano Donizettis in Wien ist (e-mail: alfred.gaensthaler@chello.at oder donizettiverein-wien@chello.at/ Foto oben Elio Boncompagno/ EB)