Frisch und unmittelbar

 

Dichterlieben gibt es wie Sand am Meer, und man runzelt die Stirn, wenn wieder einmal eine auf dem CD-Markt erscheint. Die jüngst aufgenommene immerhin lässt aufhorchen, allerdings nicht mit dem Heine-Schumann-Liederkreis, sondern zunächst einmal mit Beethovens „An die ferne Geliebte“, auch wenn der Titel der CD etwas irreführend Dichterliebe ist, hier jedoch nicht als Titel, sondern offensichtlich als Thema begriffen.  Dem bleibt die CD auch in ihrem mittleren Teil, Hugo Wolfs Lieder auf Texte von Heinrich Heine treu, und nur ganz zuletzt konnte wohl Benjamin Bruns nicht dem Zauber von Eichendorffs Mondnacht  widerstehen und setzte sie an den Schluss seiner Aufnahme.

Frische, Empfindsamkeit und Unmittelbarkeit lassen den Hörer die Liederzyklen nicht als (zu) oft gehörte, sondern als durchaus neu erlebte erfahren, man merkt es der CD an, dass ihre Interpreten einen unmittelbaren Zugang zu den Lieder haben und das auch mitzuteilen wissen.

Bereits in den sechs Liedern des Beethovenzyklus‘ offenbart sich eine gar nicht anämisch-liedgeeignete, sondern eine farbige, jünglingshaft-virile, mit einem unverwechselbaren und angenehmen Timbre begabte Tenorstimme, die sich ausgeglichen zwischen Textausdeutung und Musikfluss einzurichten weiß. Textverständlichkeit macht tatsächlich das Fehlen der Liedtexte im Booklet verzeihbar, ein feines, elegisches „klagen“ im ersten Lied und die Beschleunigung des Tempos an der richtigen Stelle nehmen sofort für die Interpretation ein. Im zweiten Lied erfreuen eine runde mezza voce und ein schönes Echo, eine kontrastreich hervorgehobene „innere Pein“, im dritten das angemessene Rubato und die rhythmischen Feinheiten.  Auch die Pianistin Karola Theill kann sich bereits im fünften Lied durch ein empfindsames Vorspiel profilieren.

Es folgt Schumanns Der arme Peter auf Gedichte von Heinrich Heine, in dem der Kontrast zwischen Peter und dem glücklichen Brautpaar gut hervorgehoben wird, eine schöne Wehmut in „ist man doch allein“ zu Herzen geht und der „jüngste Tag“ ein fast endloser zu sein scheint.

Hugo Wolfs Liederstrauß führt mit „du aber siehst es nicht“ in eine sehr präsente tiefe Lage der Stimme, zeigt in „Ich stand in dunklen Träumen“ ein schönes falsettone und ein nachvollziehbar sehr langsames „verloren“.  In schmerzlicher Intensität erklingt „Aus meinen großen Schmerzen“ und beweist, dass die Stimme auch zu Dramatischem fähig ist.

Den Abschluss der CD bildet Schumanns Dichterliebe auf Ausschnitte aus Heines „Buch der Lieder“, die mit einem zart-zärtlichen Wonnemonat Mai eingeleitet wird und einen schönen Schwellton für das „Verlangen“ hat. Dem Sänger gelingen im Verlauf des Zyklus‘ alle Abstufungen, so für „Im Rhein“ zwischen Intimität und getragener Feierlichkeit, Steigerungen bis zum Äußersten wie für „Ich grolle nicht“ oder eine helle Strahlkraft der Stimme wie für „Aus alten Märchen“.

Für die „Mondnacht“ schließlich wird der Tenor wundervoll wie in einem schwebenden Zustand gehalten, ehe die Seele bzw. Stimme „weit ihre Flügel“ ausspannen kann (HC 18025). Ingrid Wanja