Hana Janku

 

Für mich als Berliner Operngänger war Hanna Janku in den Siebzigern der Deutschen Oper eine Offenbarung. Ich werde nie  vergessen, wie ich in eine bis dahin doch eher unterbesetzte Gioconda-Vorstellung ging und mich der dramatischen Wucht und der belkantistisch angelegten Titelpartie der Janku ausgesetzt sah – eine ehrliche, unverstellte Sopranstimme voller Farben mit vielen, vielen Nuancen, mit diesem typisch slawisch-nasalen „Schnaufer“ in der Höhe, mit einer beispiellosen Attacke furchtlos in die Noten hinein (wenngleich manchmal in späteren Jahren auch sehr charakteristisch in der Höhe geschleift wurde), mit einer durchschlagenden Kraft eben besonders in der Höhe, wo die Stimme in anderen Partien auch durchdringend sein konnte. Vor allem aber war man erschlagen von der Identifikation der Janku mit ihren Rollen. Und da gab es viele nachhaltige, darunter die in der stockfinsteren alten Karajan-Produktion des Trovatore, in der sie eine Leonora “ hinlegte“, dass einem der Atem stockte. Hier herrschten Kunst und vor allem solider, beherrschter Gesang, kein Säuseln, kein Betrug, sondern unverstellte Rollenauslebung.

Hana Janku (25. Oktober 1940 – 28. April 1995) wurde in Brünn geboren und erhielt ihre Ausbildung ebendort. Laut Kutsch-Riemens gab sie ihr Debüt als Gräfin in der tschechischen Oper Lucerna von Novak 1959 ebenfalls in Brünn, wo sie in derselben Spielzeit als Trovatore-Leonora, als Turandot, Smetanas Libussa und Dvoráks Rusalka auftrat sowie die Milada im Dalibor  von Smetana sang – keine leichte Kost, aber für Jankus Stimme Erfolgspartien für lange Zeit. Dies führte zur Verpflichtung an die Deutsche Oper am Rhein in Düsseldorf, aber auch an die Deutsche Oper Berlin. Gastspiele brachten die nun vielgefragte Sopranistin, vor allem als gesuchte Turandot, an die internationalen Häuser von Wien, Buenos Aires, San Francisco, Mexico City und andere  Zentren.  Sie stand nun in der vordersten Reihe der Spinto-Sängerinnen ihrer Zeit, wobei besonders ihr Auftritt als Tosca an Covent Garden nachhaltige Bewunderung hinterließ, aber auch die Festspiele von Verona und Caracalla versicherten sich 1973 und 1974 ihrer Mitwirkung. Spanier werden sich an ihre sensationelle Forza­-Leonora  in Barcelona  erinnern.  Strauss‘ Ariadne und natürlich auch viele Konzerte rundeten ihr Repertoire ab.

Aber was bleibt, sind – zumindest für den Berliner Opernfan – diese ganze wunderbare Reihe von Bühnenfiguren, denen Hana Janku unverwechselbares Leben einhauchte: ihre Forza-Leonora „, ihre herrliche Gioconda, Tosca, Trovatore-Leonora (welche Leidenschaft und welches Temperament!), ihre Turandot, ihre anrührende und besonders in den zarten Tönen überzeugende Elisabetta im Don Carlo und ihre fulminante, unverwechselbare Lady Macbeth ­ tschechische Entschlossenheit und italienisches  Feuer verbanden sich zu einem atemberaubenden Portrait. Ihre Kundry blieb für mich Geschmacksache, und Kundry war auch eine ihrer  letzten Partien in Mannheim, als ihre lange, schreckliche Krankheit bereits das Letzte von ihr forderte. Hana Janku starb daran, und die Opernwelt ist um eine große Gestalterin und vor allem Sängerin der alten Schule ärmer. Sie gehörte einer Ära an, in der Spinto-Soprane mit Persönlichkeit genauso selbstverständlich waren wie erste italienische Tenöre, aber selbst darunter nahm sie einen Ausnahmeplatz ein. Was sind wir, die sie erlebt haben, doch reich von ihr beschenkt worden! S. L.