Und noch eine …

 

Einen Riesenpublikumserfolg garantiert immer noch, wenn so gut gemacht wie an Londons Opernhaus Covent Garden, Mozarts Zauberflöte, und selbst hundertmal belachte Scherze Papagenos finden immer wieder dankbare Zuhörer. Dabei ist auch dieses Werk nicht ohne Fallstricke und könnte den Zorn von Feministinnen und Cancel Culture Verfechtern erwecken mit Sarastros oder des Sprechers, von Tamino kritiklos aufgenommen und wiedergebenen, Aussagen. Obwohl von Schikaneders Weltoffenheit zeugend, der durch Papagenos Mund schwarzen Menschen wie schwarzen Vöglen ihre Daseinsberechtigung garantiert, wird in London aus dem Mohren Monostatos ein einem blassweißen Nosferatu ähnlicher Höfling und aus dem „weil ein Schwarzer hässlich ist“ wird ein  „weil ein Sklave hässlich ist“. Ansonsten hat im September 2017 Thomas Guthrie die Produktion von David MacVicar angenehm aufgefrischt, entfaltet die Bühne von John MacFarlane märchenhaften Zauber, sorgt die Lichtregie von Paule Constable für wohliges Erschauern bei den Proben, die Tamino und Papageno bestehen müssen.

Zufriedenstellen bis sehr gut ist die Besetzung. Von der Deutschen Oper Berlin kennt man die Australierin Siobhan Stagg, die eine bezaubernde Pamina ist, deren leuchtender lyrischer Sopran ein strahlendes „die Wahrheit“ verkündet, eine schöne Arie  mit feinen Piani und ein sehr zärtliches „Tamino“ singt. Dieser ist Mauro Peter, ein ansehnlicher  Märchenprinz mit angenehmem Tenor, empfindsam in der Bildnisarie, allerdings nicht immer ganz frei in der Tonproduktion. Auch ohne jede weanerische Attitüde kann Roderick Williams die Zuneigung des Publikums mit den üblichen Späßen gewinnen, verliert nicht einmal dessen Sympathie durch Vogelmord und darf sogar einmal das Wandern als des Müllers Lust intonieren. Seine Papagena Christina Gansch tritt gleich mit einer Schar im Libretto doch nur angedachter Kinder auf. Den größten Applaus heimst die Königin der Nacht von Sabine Devielhe ein, obwohl die Sopranstimme recht dünn klingt, aber die Koloraturgeläufigkeit, die Souveränität im Umgang mit den Extremhöhen sind  erstaunlich . Eine gewaltige Röhre setzt der Bass Mika Kares für den Sarastro ein, in der Tiefe brummelig, ansonsten hart und hölzern klingend, da hätte man sich mehr vokalen Balsam gewünscht. Auch sein Sprecher Darren Jeffery ertönt recht dumpf, während der Tenor von Peter Bronder eher dünn als prägnant erscheint. Gut aufeinander abgestimmt sind die drei Damen mit Rebecca Evans, Angela Simkin und Susan Platts, natürlich Publikumslieblinge die drei Knaben. Julia Jones steht am Dirigentenpult, und was man aus dem Orchestergraben hört, klingt so angenehm wie angemessen, sieht man die Dirigentin, so erscheint ihre Zeichengebung  als eine besonders fürsorgliche (Opus Arte OA1343D). Ingrid Wanja

 

Halb Flotows Martha, halb Monty Python’s Flying Circus ist die Produktion von Mozarts allzu dokumentierte Oper  Die Zauberflöte für die Glyndebourner Festspiele im Jahre 2019 in der Regie und mit dem Bühnenbild von Barbe & Doucet, wer immer das sein mag. Die Geschichte ist in einem viktorianischen Hotel angesiedelt, Sarastro ist der Chefkoch, und Taminos und Paminas Bestreben richtet sich auf die Aufnahme in die edle Gesellschaft der Sterneköche. So besteht die endgültige Entscheidung auch nicht aus dem Bestehen von Feuer-und Wasserprobe, sondern aus dem Kochen eines Gerichts mit anschließendem Abwasch. Die Verlegung in ein Hotel früherer Zeiten hilft auch aus der Verlegenheit, den Monostatos als Schwarzen auftreten zu lassen zu müssen, er ist nun Heizer und dadurch nur vom Ruß geschwärzt, so dass niemand Rassismus wittern kann. Die Königin der Nacht und ihre Damen kämpfen für das Frauenwahlrecht und dürfen zum Finale mitfeiern. Das ist alles sehr lustig und abwechslungsreich, vor allem weil neben den Sängern auch allerlei Pappfiguren und Marionetten auftreten (Patrick Martel), Groteskes und auch ab und zu Obszönes geboten wird und immer wieder überrachende Gags die Aufmerksamkeit wachhalten. Die humane Botschaft des Stücks allerdings ist nun, erdrückt von Jux und Tollerei, nicht mehr wahrnehmbar. Unterhaltsam ist die Aufführung ohne jeden Zweifel.

The Orchestra of the Age of Enlightenment unter Ryan Wigglesworth spielt einen frischen, espritreichen Mozart, der Glyndebourne Chorus unter Aidan Oliver hat sichtlich und hörbar am munteren Spiel wie am Singen Freude.

Der Tamino von David Portillo, zunächst im Schlafanzug, dann in karierten Knickerbockern, aber immer mit bravem Krägelchen, singt nicht ganz akzentlos, aber empfindsam die Bildnisarie, hat mehr Schmelz in seinem Tenor, als ein englischer Mozarttenor wohl aufzubieten hätte. In der Höhe wird die Stimme etwas eng. Eher ein Koloratursopran als ein lyrischer mit entsprechender Wärme in der Stimme ist Sofia Fomina, die Pamina, die so auch in ihrer Arie etwas gläsern-kühl wirkt. Auch Caroline Wettergreen ist nicht die ideale Königin der Nacht, dazu ist er Sopran zu soubrettig, man wünscht ihn sich einfach dramatischer. In ihrer ersten Arie will sie noch höher hinaus, als man es gewöhnt ist, und wird dann schrill, perfekt gelingt Der Hölle Rache. Gut aufeinander abgestimmt sind die drei Damen mit Esther Dierkes, Marta Fontanals-Simmons und Katharina Magiera. Brindley Sherrat hat trotz komischer Kochmütze die optische Autorität für den Sarastro, der Bass klingt mittlerweile etwas schütter. Verquollen hört sich die Stimme von Michael Kraus für den Sprecher an, sehr präsent ist auch vokal Jörg Schneider als Monostatos. Obwohl natürlich Weanerisches gegenüber einem englischen Publikums seine Wirkung verfehlen würde, kann sich Björn Bürger als Papageno auch mit Hochdeutsch und einer schönen Baritonstimme zum Zentrum des Geschehens und zum Publikumsliebling machen. Alison Rose ist ihm eine attraktive Partnerin als Papagena. So kann man Zauberflöte machen, muss man aber nicht unbedingt Opus arte (OABD 7268D). Ingrid Wanja     

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Der Kini höchstpersönlich lässt sich von Zettler, dem Ersten Hofillluminator, und Klarei, dem Chef des Livrées, in die Geheimnisse der neuen Theatertechnik einführen und besteht auf einer Lichtprobe. Er ist entzückt von den neuen technischen Möglichkeiten. Dann erreichen bereits die  ersten Gäste die Herreninsel (Bühne: Volker Thiele). Gräfin Larisch-Wallersee, die Erbprinzessin von Thurn und Taxis und die Freifrau Truchsess von Wetzhausen gehen auf Position. Schon eilt Kaiser Franz Joseph II. in seiner Paradeuniform als Tamino durch den Park und lässt sich von den drei adeligen Damen, die sich nach ihrem kurzen Auftritt mit einer Maß stärken, aus seiner Ohnmacht wecken. Es ist mehr als nur eine hübsche Idee, die Enoch zu Guttenberg dieser bayrischen Zauberflöte zu Grunde legte, indem er ein Fest des Märchenkönigs im Spätsommer 1884 auf Herrenchiemsee mit der Tradition der in Adelskreisen beliebten Scharaden verband, bei der die Adeligen in die Theaterrollen schlüpften, zum Ausgangspunkt eines Spiels im Spiel und einer zumeist kurzweiligen Inszenierung der zu Des Königs Zauberflöte umfunktionierten Zauberflöte machte – erstmals 2010 in Herrenchiemsee sowie im November 2013 im Münchner Prinzregententheater. Ich gebe zu, ich hatte das zuerst für eine der üblichen Zauberflöten-Fassungen für Kinder gehalten.

Mit Jankerl und Alltagskleidung führt ein altersloser Papageno durch das Geschehen, was der mit allen komödiantischen Wassern gewaschene Gerd Anthoff mit der raumgreifenden Fabulierkunst des Volksschauspielers und geistreichen Seitenhieben auf Opern- und Weltgeschehen bewerkstelligt. Er dient als Scharnier zwischen den einzelnen Zeit- und Spielebenen. Sein singendes Alter Ego ist Max Emanuel Herzog in Bayern (Jochen Kupfer), der jüngste Bruder der Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn. Sie selbst, Sissi, spielt die Pamina, der Franzl, Kaiser Franz Joseph I., ist, wie gesagt, der Tamino, Cousin Ludwig II. übernimmt den Sarastro (Tareq Nazmi). Jörg Dürrmüller, der einen reifen Tamino und Franz Joseph gibt, und Susanne Bernhard, können nicht das Karlheinz Böhm- und Romy Schneider-Bild ersetzen; doch am meisten vermisst man als Erzherzogin Sophie von Österreich, die selbstredend die Königin der Nacht gibt, die spätere Doyenne des Josefstädter Theaters Vilma Degischer. Es fehlt auch eine Hand, wie die Ernst Marischkas, der zwischen Kitsch und Kunst, zwischen historischer Plausibilität und „so könnte es gewesen sein“ etwas mehr Ordnung in das brillant ausgetüftelte Geschehen und seine weltpolitische Dimension bringt.

Das Beiheft der DVD (FARAO Classics A 108095) nennt Enoch zu Guttenberg für die Musikalische Leitung und Inszenierung, es singt die Chorgemeinschaft Neubeuern, es spielt das von Guttenberg 1967 gegründete Orchester KlangVerwaltung. Anfangs witzelt der Dirigent mit Anthoffs Papageno, der die „wahre Geschichte der Zauberflöte“ erzählt und auf erfrischende Weise auf Distanz zu dem esoterischen Geschwätz der Eingeweihten und den freimaurerischen Ritualen geht. Den Text hat ihm Klaus Jörg Schönmetzler vorgeschrieben, die Dialoge wiederum stammen von zu Guttenberg und Schönmetzler.  Die feinsinnig erdache und bewusst amateurhaft angezettelte Aufführung bewegt sich trotz aller netten Ideen – Otto Fürst Bismarck, welchen Papageno als „gescheiter als wie hier alle zusammen“ vorstellt, spielt den Pickelhauben-Monostatos (Martin Petzold) – doch in den Bahnen einer braven Liebhaber-Aufführung aristokratischer Theater-Fans. Enoch zu Guttenberg dirigiert diese Zauberflöte als drastisch zupackenden, in der Szene der Geharnischten – mit dem preußischen Kronprinzen und dem später in Sarajewo ermordeten österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand – bedrohlich überdüsterten Theaterspaß, an dessen Gelingen Susanne Bernhard, Antje Bitterlich, der edle Tareq Nazmi, Jörg Dürrmüller, Jochen Kupfer als hoch besetzter, schuhplattelnder Papageno, Martin Petzold als Monostatos, die drei Damen Miriam Meyer, Olivia Vermeulen und Heike Andersen sowie Gudrun Sidonie Otto als Papagena, als deren mögliche historische Darstellerin die Macher die ungarische Schauspielerin Lila von Bulyovsky ausgemacht hatten, großen Anteil haben. Zu den „Strahlen der Sonne“ erscheint Sissi dann endlich im Sternenkleid (Kostüme: Claudia Krämer, Ingrid Bettega, Brigitte Huber).        Rolf Fath