Sonnenaufgang über Livorno

 

Zumindest die von den Faschisten misbrauchte Chornummer „ L‘Inno al Sole“ und die Tenorarie „April la tua finestra“ haben, wenn auch weniger in deutschen Landen, aus Mascagnis Oper Iris in Wunschkonzerten überlebt, während andere Opern des Livornesen gänzlich dem Vergessen anheimgefallen sind. Aus seiner Geburtsstadt Livorno stammt die Aufnahme aus dem Jahr 2017, deren optische Realisierung ganz in japanische Hände gelegt worden war, wie bei Madama Butterfly  ein zweischneidiges Unterfangen, denn trotz des Studiums der japanischen Musik und der Verwendung gewisser ihrer Elemente durch die beiden Komponisten bleiben ihre Werke wegen der Musik ganz und gar italienische. Ungewöhnlich an Iris ist, dass sie nicht auf ein literarisches Werk zurückgeht, sondern eine Eigendichtung des vielschreibenden Luigi Illica war. Bei der Uraufführung 1898 in Rom war der Erfolg ein immenser, und das nicht zuletzt wegen der gerade modernen Leidenschaft für exotische Stoffe. In den letzten Jahren gab es besonders in Italien wieder Aufführungen, so unter Gianandrea Gavazzeni. Die Neuköllner Oper Berlin führte vor einigen Jahren eine auf ihre Möglichkeiten zugeschnittene Fassung auf.

Iris ist die Geschichte einer unschuldigen jungen Japanerin, einer Mousmé, der ihre Schönheit zum Verhängnis wird. Ein reicher Lebemann lässt sie während einer Aufführung durch Komödianten  in ein Freudenhaus entführen. Als sie seine Liebe zurückweist, verliert er das Interesse an ihr, der Bordellbesitzer benutzt sie als eine Art Aushängeschild für sein Etablissement. Der blinde Vater von Iris glaubt,  sie habe ihn freiwillig verlassen , bewirft sie mit Schmutz und beschimpft sie. Iris wirft sich verzweifelt in einen Abgrund, wird von Lumpensammlern beraubt, hört noch einmal die Stimmen ihrer drei Peiniger  und stirbt, nicht ohne im Todeskampf durch die aufgehende Sonne und die angebeteten Blumen ihres Gartens getröstet zu werden. Sogar die geliebte Puppe, die sich im ersten Akt in einem schlechten Zustand befand, ist intakt wieder mit ihr vereint.

Die Bühne von Sumiko Masuda ist zuerst einmal sehr bunt, verwendet die Blume Iris als wiederkehrende Dekoration, taucht sogar auf einem der schönen Kimonos, die Iris trägt, auf (Kostüme Tamao Asuka) und nimmt symbolistische Züge an, so wenn sich im ersten Akt Schlangen um das bescheidene Häuschen von Iris und ihrem blinden Vater winden. Phantastisch gelernt, sich wie eine japanische Frau vergangener Zeiten zu bewegen hat die Sängerin der Iris, aber auch die Geishas im zweiten Akt stehen ihr darin nicht nach. Regisseur Hiroki Ihara lässt so den Eindruck der Authentizität perfekt werden. Optisch ist das eine Arbeit wie aus einem Guss.

Leider sind die Sänger nicht so gut, dass ihnen eine Ehrenrettung des Werks gelingen könnte. Paola Marrocu hat an ersten Häusern gesungen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme  hatte die Stimme wenig Farbe und Rundung, klang die Höhe schrill und ist es um das Vibrato nicht gut bestellt. Trotzdem kann ihre Klage im dritten At den Hörer bewegen. Der Tenor Paolo Antognetti hat ein angenehmes Timbre für den Möchtegernverführer Osaka, singt munter drauf los, aber leider ohne jede Schattierung und nicht immer sicher in der Intonation. Hohl und substanzlos ist die Stimme von Manrico Signorini für den blinden Vater. Solides Material kann Carmine Monaco d’Ambrosia für den Kyoto einsetzen. Eine auffallend schöne Stimme hat der Lumpensammler, den Didier Pieri singt. Seine Arie „Ad ora bruna e tarda“ ist von schöner Melancholie.

L’Inno al Sole und auch der Schlusschor werden nicht nur vom Bühnenpersonal, sondern auch von einem Zusatzchor (Coro Ars Lyrica unter Marco Bargagna) sehr eindrucksvoll und mit Hingabe gesungen. Das Orchestra Filarmonica Pucciniana unter Daniele Agiman vermag Mascagni-Üppigkeit zu vermitteln.

Wie immer hat Bongiovanni aus Bologna ein informationsreiches Booklet geliefert. Es gibt Untertitel in Italienisch und Englisch (AB 20039). Ingrid Wanja

  1. Dr. Georg Halper

    Wer kennt schon etwas von Mascagni außer seiner „Cavalleria Rusticana“? Mancher vielleicht noch etwas aus seinem „L´Amico Fritz“ (Kirschenduett), in eventu auch seinen Sonnengesang aus „Iris“. Aber dann? Mascagni ist immer seinem Erfolg von „Cavalleria Rusticana“ nachgelaufen – und hat immer versucht, etwas Originelles zu komponieren: „Amica“, „Isabeau“, „Lodoletta“, „Le Mascere“, „Nerone“, „Parisina“, „Il Piccolo Marat“, „Pinotta“, „I Rantzau“, „Silvano“, „Guglielmo Rarcliff“ oder „Zanetto“.
    In den meisten Werken sind schöne und interessante Teile – aber durchgehend? Dafür hat es offenbar dann doch nicht gereicht.
    Warum traut sich keine Bühne einmal die ewigen „Zwillinge“, „Cavalleria Rusticana“ und „I Pagliacci“ zu trennen? Denn es gibt ja noch eine weitere herrliche „Cavalleria Rusticana“ – von Domenico Monleone! Aber wer hat schon von Monleone gehört?? Sicher klingt die 1907 uraufgeführte Oper anders als jene von Mascagni – und vor allem das „Santuzza, credi mi“ von Mascagni ist einem so im Ohr, dass es einem halt überall abgeht. Aber man sollte auch Monleone hören -an einem Abend eben beide Cavallerias! Es würde sich lohnen.
    Und am zweiten Abend könnte man den nunmehr halben Zwilling „I Pagliacci“ von Leoncavallo mit „I ZIngari“ (UA 1912 in London), auch von Leoncavallo, bringen. Diese Oper würde wunderbar zum Bajazzo passen. Auch Eifersucht – und ein feuriges Ende!
    Für jeden Theaterdirektor, für jeden Intendanten, wäre es doch toll, an zwei Abenden ein volles Haus zu haben – und an beide Abenden gäbe es ein „Zugpferd“, das ein volles Haus garantiert, Und so ganz nebenbei würden zwei hervorragende Opern einem breiteren Publikum bekannt!

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