Eine Überraschung

Ganz ehrlich gesagt war mir der aserbaijanische Bariton Muslim Magomayev gar kein Begriff. Um so überraschender ist seine Wirkung auf der „neuen“ Melodya-CD (MEL CD 10 02345; noch bis vor kurzem als LP vertrieben und nun opportun auf dem probateren Medium)´mit Arien von Mozart, Rossini, Bizet, Gounod, viel Verdi und Leoncavallo, dazu Borodin, Tschaikowsky im üblichen Repertoire von Figaro, Don Giovanni, Barbiere bis hin zu den Pagliacci oder Rigoletto, Otello und mehr. Mehr in diesem Fall auch Zazà im Original, während Faust in Russisch und Carmen in Italienisch gegeben werden. Spannend sind die beiden raren aserbaijanischen Komponisten, nämlich Uzeyir Hajibeyev (Hassans Arie aus Der Sohn des blinden Mannes) und Magomayev grand-père (Asians Arie aus Schah Ismayil) – ich muss erneut gestehen: never heard before.  Was es alles gibt. Was man hört ist eine kraftvolle, schöntimbrierte Baritonstimme mit sehr guter Höhe, einem stabilen Kern und großer Ausdruckskraft. Und einem kräftigen Schuss Sinnlichkeit – der Mann kann „verkaufen“! Und er kann sich mit vielen wie Masurok und anderen Berühmten messen. Eine Entdeckung!

Magomayev magomayev mit Tamara Sinyavskaya/Wiki

Magomayev Magomayev mit Tamara Sinyavskaya/Wiki

Ein Blick ins Netz verrät mehr über ihn, denn der höchst blumige, mit Superlativen gespickten Artikel von Boris Mukosey ist sicher aus dem Russischen übersetzt und klingt wie die Anleitung zu einer Kaffeemaschiene aus Fernost.. . Muslim Magomayev (17. August 1942 – 25. Oktober 2008) gilt als der König der aserbaijanischen Sänger (so Wikipedia) und als „King of Songs“ oder auch der „Sowjetische Sinatra“ (naja). Er war einer der führenden sowjetischen Baritone und Popsänger der 60er und 70er, ein wirklich gut aussehender Mann, dessen Jugendfoto auf dem Cover der Melodya-CD den Betrachter anspricht wegen seines Lächelns und seiner Spontaneität. Muslim Magomayev repräsentierte eine der sehr respektierten Künstlerdynastien in Aserbaijan. Sein Großvater desselben Namens (1885 – 1937) war ein Freund und Zeitgenosse des aserbaijanischen National-Komponisten Hajibeyov und Begründer des modernen aserbaijanischen Musikstils. Vater Mahammad kämpfte gegen die Deutschen und starb kurz vor Kriegsende – er war ein renommierter bildender Künstler. Mutter Aishet Knizhalova galt als eine brühmte  Schauspielerin. Die Familie hatte türkische, georgische und aserbaijanische Wurzeln, was man der Beweglichkeit der Stimme Muslim Magomayevs anmerkt.

Magomayev: Jugendauftritt als Rossinis Barbniere im sowjetischen TV/Wiki

Magomayev: Jugendauftritt als Rossinis Barbiere im sowjetischen TV/Wiki

Der Sänger wuchs im polyglotten Haus seiner Großeltern auf und lernte dort früh amerikanische Jazz-Musik, italienische Lieder und verschiedene Stilrichtungen des populären Genres kennen. Am Konservatorium von Baku studierte er Klavier und Gesang. Der erste Auftritt führte ihn zu einem Jugendfestival in Helsinki. Die berühmt-berüchtigte Yekaterina Furtzeva, Kulturministerin der UdSSR (mit der wüsten Hochfrisur), wurde auf ihn aufmerksam und bot ihm eine  Solistenposition am Bolshoi Moskau an, was er ablehnte. Er wollte sich vervollkommnen und trat erstmals in Moskau 1962 bei aserbaijanischen Kulturveranstaltungen im Kongresspalast auf. Über Nacht wurde er berühmt. Es folgte ein Jahr später ein Solokonzert in der ausverkauften Moskauer Tschaikowsky-Halle. Und er wurde Solist in Baku am Asebaijanischen Staatstheater. 1964 und 1965 folgten Auftritte an der Scala, aber er lehnte erneut Einladungen vom Bolshoi ab. Stattdessen widmete er sich der Popmusik und erreichte Millionen in der UdSSR damit. Er wurde zu einer Kultfigur, auch der Vertreter einer jungen  Generation. 1966 und 1969 trat er mit sehr großem Erfolg im Pariser Olympia auf.

Magomayev auf einer aserbaijanischen Briefmarke/Wiki

Magomayev auf einer aserbaijanischen Briefmarke/Wiki

Weitere Angebote aus Paris scheiterten am Widerstand Furtzevas, weil sich Muslim Magomayev weigerte, an „offiziellen“ parteiorientierten Konzerten in Moskau teilzunehmen. Auf der Midem 1960 erhielt er in Cannes den Gold Disc Award für den Verkauf von mehr als 45 Millionen Schallplatten. 1973 erhielt Magomayev den Nationalen Orden „People´s Artist oft he UdSSR“ (wohl nicht unbedingt mit dem Segen von Frau Furtzeva, die entmachtet im Jahr darauf starb… ). Muslim Magomeyev zog um nach Moskau in den frühen Siebzigern und wurde Dirigent des Azerbaijan State Bandstand-Symphonic Orchestra, mit dem er Tourneen durch Frankreich, Bulgarien, Finnland und Kanada machte. Er komponierte zudem auch selbst, namentlich Soundtracks, und trat als Schauspieler in Filmen auf. Er erhielt zahlreiche nationale Auszeichnungen; und sogar ein kleinerer Planet in der Milchstrasse, 4980 Magomayev, wurde nach ihm benannt…. Er war ein Massenidol. G. H.