Schönes Rossini-Programm

 

Eines Enzo Dara, eines Renato Bruson und eines Michele Pertusi, meint man, bedarf es, um die CD zu verwirklichen, die Giorgio Caoduro unter dem Titel the art of virtuoso baritone aufgenommen hat und die eigentlich nur eine Rückkehr zu Rossini-Zeiten bedeutet, als es noch keinen Bariton, sondern nur je eine hohe und eine tiefe weibliche oder männliche Stimme gab. Dem Beispiel Filippo Gallis nachzueifern scheint der italienische Sänger, denn dieser hob einige der auch auf der CD vertretenen Partien aus Torvaldo e Dorliska, La Gazza Ladra und L’Inganno felice aus der Taufe, während Henri-Bernard Dabadie sein Vorbild für die Gestalt des französischen Tell sein könnte.

Es beginnt mit der Arie des Duca aus Torvaldo, einer semi seria, in der der Sänger, der hier den Habitus eines basso cantante annimmt,    ein ausgesprochen dunkles Timbre zeigt, sehr präzise Koloraturen ausführt und den Eindruck erweckt, als fühle er sich in den Höhen noch wohler als in den tiefen Passagen. Offensichtlich war er bei der Zusammenstellung seines Programms bewusst auf einen starken Kontrast zwischen den einzelnen Tracks bedacht, denn es folgt der Dandini als „ape d’aprile“ aus La Cenerentola, in der er nicht nur von „leggera e scherzosa“ singt, sondern sich auch so anhört, wo man konstatiert, dass es auch schon hellere Stimme in dieser Partie gab, dass selbst im extremen Prestissimo die Stimme prägnant bleibt, nie etwas Verhuschtes annimmt. In „Un segreto d’importanza“ trifft die seine auf eine andere Bassstimme, die von Fabio Maria Capitanucci, die den Don Magnifico singt, während Caoduro hier der Zauberer Alidoro ist, beide schenken einander nichts an vokaler Präsenz, und Caoduro singt später noch die ungeheuer schwierige Bravourarie des Alidoro „Là del ciel“, sehr klug aufgebaut und auf den Höhepunkt hinzielend. Auch in Bassregionen führt der Fernando, der bereits eine verdi-gemäße Phrasierung erfordert, die ihm der Sänger zuteil werden lässt, der die Koloratur zum Ausdrucksmittel, hier der Verzweiflung, werden lässt und mit einem prachtvollen Acuto aufwartet. Einen leichten Grauschleier hängt er hingegen auf die Arie des Griesgrams aus Il signor Bruschino, gestattet ihm aber eine  prachtvolle Kadenz. Noch mehr als der Fernando nähert sich der Assur aus Semiramide zumindest in der Ausstattung des Rezitativs und des Beginns der Arie an Verdi an, zugleich markant und geschmeidig wird die Cabaletta bewältigt. Ganz irrsinnige Virtuosität ist die Arie des Batone aus L’inganno felice, aus einer anderen Welt hingegen stammt das Gebet des Tell vor dem Apfelschuss, für das Caoduro Wärme, Farbe, Virilität und Geschmeidigkeit gleichermaßen hat. Eine weniger bekannte Szene und Arie für eine Bassstimme, eine typische aria di baule, in der der Sänger seine Stärken vor dem Publikum ausbreiten konnte, nutzt auch Caoduro für den Beweis, wie sich Virtuosität und Sonorität miteinander vereinbaren lassen, Koloraturen bereits bei Rossini nicht als rein artifiziell anzusehen sind, sondern zu Ausdrucksmitteln werden  können. Kongenial lassen sich als Begleitung (auch mit volkaler Unterstützung der Kolleg/innen Cecilia Bernini, Anna Vila und Alessandro Antonello)  die Virtuosi Brunenses unter Jacopo Brusa vernehmen (Glossa GCD 923525/ 2. 5. 2021). Ingrid Wanja