Over the rainbow

 

Er versuche, „so viel wie möglich so einfach wie möglich“ auszudrücken, sagte Frederic Mompou. Da trifft es sich gut, dass gleichzeitig mit dem zweiten Band seiner Complete Songs bei Naxos (8.5.3100) auch eine Neuaufnahme mit Lieder nach Gedichten von Paul Élouard von Francis Poulenc vorliegt (timpani 1C1222), von dem dieser Satz ebenso gut stammen könnte. Mompou (1893-1987), Sohn eines katalanischen Vaters und einer französischen Mutter, studierte ab 1911 in Paris, geriet in den Bann von Debussy und Satie, kehrte nach dem Ersten Weltkrieg in seine Geburtsstadt Barcelona zurück, lebte aber nach 1920 bis zur Ankunft der deutschen Besatzung neuerlich in Paris, wo er u.a. mit Poulenc befreundet war. Lieder bilden neben den Kompositionen für Klavier den Kern von Mompous schmalem Oeuvre.

Marta Mathéu Mompou NaxosDie Ausgabe beinhaltet 27 Lieder, viele davon sehr kurz, nicht mal eine Minute lang, dazu gehören vor allem die acht in den 1920er und 40er Jahren entstandenen lebhaften Kindergesänge Comptines. Die Comptines sowie die Becquerianas, die Vertonung von sechs Gedichten des spanischen Romantikers Gustavo Adolfo Bécquer, geben der Ausgabe den Titel. Die Lieder in Katalanisch, Französisch, Spanisch, Galizisch und Latein (leider keine Texte im engl./ span. Beiheft, immerhin genaue Trackingliste mit Namen der Autoren, darunter auch Federico Garcia Lorca, und Entstehungsjahr) werden von der Sopranistin Marta Mathéu mit mal tief melancholischer Wehmut und sehnsuchtsvollem Ton gesungen, der sich gut der romantischen Inbrunst der Becquerianas anschmiegt, auch mit quecksilbrigen Vibrato und rhythmischer Lebendigkeit, etwa in den Kinderliedern. Jordi Masó begleitet die im Dezember 2013 mit Unterstützung der Frederic Mompou Fondació entstandene Aufnahme mit der hier angebrachten unsentimentalen Akkuratesse.

Schlicht und einfach, oftmals mit gutem Sinn für Ironie, sind die Lieder von Poulenc, der sich für sein Grab die Zeile ‘Hier ruht Francis Poulenc, der Komponist von Apollinaire und Éluard” wünschte. Beide Dichter hat er am häufigsen vertont. Vielleicht lag ihm Paul Élouard, den er zwar bereits um 1916/17 kennenlernte, dessen Gedichte er aber erst sehr viel später vertonte, noch näher (“Élouard sollte einen Teil meines Schicksals als Musiker bestimmen”). Insgesamt 34 Lieder, die sich bequem auf einer CD versammeln lassen, basieren auf Texten Élouards. Der Bariton Pierre-Yves Pruvot, der zusammen mit Charles Bouisset im Sommer 2014 in Vincennes die zu kleinen Gruppen zusammengestellten Lied-Gebinde aufnahm, die sechs ironischen Maler-Porträts Le travail du peintre, die acht Lieder Telle jour telle nuit, die Cing poèmes de Paul Élouard, die sieben kurzen Lieder La fraicheur et le feu, die vier Mélodies séparées und schließlich die beiden Miroirs brulantes, musste mit starker Konkurrenz rechnen. Pruvot versucht sich nicht als zarter Impressonist und feinsinniger Gestalter, er geht die Sache mit unvertelltem Theaterinstinkt und als Sing-Humorist an, springt mit seinem prallen, oft sehr unruhigen Bariton sozusagen auf die Bühne und setzt Akzente in den dramatischeren Klee- und Miró-Porträts und Szenen Une ruine coquille vide (im Zyklus Tel jour telle nuit), mancheinem wird das trotz guter Diktion und Textgestaltung ein wenig zu plump und grob wirken.

Janice Dixon FinetoneStrenge Konzentration ist die Sache von Janice Dixon nicht, die auf 2 CDs The Beauty of two Worlds vereint (Finetone Music FTM 8036), worunter sie vermutlich das deutsche Kunstlied und amerikanische Lieder (von Barber, Copland), Spirituals und Favorites von Weill bis Stevie Wonder versteht und nicht zimperlich einen Bogen von der Zueignung bis (natürlich!) „Somewhere over the rainbow“ spannt. Dixon wurde ab 1989 am Nationaltheater Mannheim gut ein Jahrzehnt lang wegen ihrer samtenen Gesangsbögen als Elsa und Tatjana, als Sieglinde und Lisa geliebt und widmete sich später Jazz-Projekten. Die CDs, ohne Beiheft, immerhin mit Trackliste auf der Rückseite, sind mit einer Widmung von Janice Dixon versehen: „This CD ist a dream come true“. Die sympathische Sängerin schöpft aus ihren umfangreichen Erfahrungen und Kenntnissen, ihre Sopran besitzt immer noch schöne Farben, die sich in den ruhigen Liedern besonders reich zeigen („Ruhe meine Seele“, „Widmung“), und ihre Fans werden Janice Dixon gerne auf ihren Traumpfaden folgen. Wer nicht wegen der Strauss-, Brahms- und Schumann-Wiedergaben zu dieser CD greift, sondern hauptsächlich, um einen Publikumsliebling in einem ungewohnten Repertoire zu erleben, wird von Janice Dixon bestens bedient, die sich in Gillespies Jazz-Standard „A Night in Tunisia“ oder „Ma favourite Things“ aus The Sound of Music, in Weills „September Song“ oder Barry Manns „On Broadway“ vorteilhaft in ihrem neuen Element zeigt.

Vesselina Kasarova Berlioz SOBStreng ging im August 2014 im Stadtkasino Basel das Sinfonieorchester Basel unter Ivor Bolton zusammen mit Vesselina Kasarova und der Geigerin Soyoung Yoon ihr Of madness and LoveProgramm an, welches nur zwei Jahre nach dem Jubiläums-Jahr zu seinem 450. Geburtstag das Shakespeare-Jahr 2016 anlässlich des 400. Todestags des Dichters einleitet. Works by Hector Berlioz inspired by William Shakespeare (SOB 08) beinhaltet – in einer großzügigen Auslegung dieses Titels – neben der „Grande Ouverture du Roi Lear“ und der „Romanze für Violine und Orchester“ die Scène d’amour aus der Symphonie dramatique Roméo et Juliette und die Scène lyrique La mort de Cléopâtre. Bolton erzielt mit dem auf Naturhörnern, – Trompeten- und Posaunen spielenden Sinfonieorchester Basel einen wunderbar vitalen und präzisen Klang; trotz nobler Phrasierung hinterlässt dagegen Kassarova als Cléopâtre, wo sie in den Höhen oft harsch, hart und ungenau klingt, keinen ebenso vorteilhaften Eindruck.

 

Komponisten-Trio: Alexander von Zemlinsky (links) neben Franz Schreker und Arnold Schönberg/ University of Southampton Blog

Von Wien  in die die Weiten des amerikanischen Westens, wo Aaron Coplands dem Film-Western hinterherhinkendes Ballett Billy the Kid von 1938 spielt. Ein Muss für amerikanische Komponisten, und nicht nur Komponisten, war aber nicht die Reise in den Westen, sondern nach Europa, wo sich Copland in Paris durch Nadia Boulanger inspirieren ließ. Offenbar hockte Copland auch gerne im Kino, denn dort erlag er 1922 der Faszination von Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilm Nosferatu, worauf er ein Ballett über Grohg, eine Figur aus Bram Stoker Dracula-Roman, schrieb. Coplands radikaler, zu seinem Lebzeiten nie gespielter und erst in den 1990er Jahren in Aldeburgh uraufgeführter expressionistisch angehauchter Ballett -Einakter Grohg von 1925 und das spätere, brav amerikanische, quasi filmmusikartige Western-Ballett Billy the Kid – dem vier Jahre später noch das folkloristische Rodeo folgte – fügte Leonard Slatkin im Oktober und November 2014 zu einem Programm zusammen, das den europäisch tiefgründigen wie amerikanisch ranschmeißerischen Copland zeigt (Naxos 8.55986). Slatkin und das Detroit Symphony Orchestra spielen die beiden Ballette – im Fall von Billy the Kid das komplette Ballett und nicht etwa nur die Suite – mit klangvoll dramatischer Emphase und Leidenschaft, Gespür für die Farben und die lebhafte Rhythmik der Musik, wodurch in Billy die „Prairie Night“ zu leuchten beginnt und der Walzer in der Wüste eine musicalhafte Wendigkeit bekommt und Grohg zu einer brillanten Studie gerät, die Coplands Bewunderung für Bartók verrät. Rolf Fath