Ombra e luce

Dankbar ist man über jede neue Tenorstimme, die als möglicher neuer Stern am Opernhimmel aufgeht, und so freut man sich auch über die neueste CD von opus arte, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, junge Sänger vorzustellen. Diesmal handelt es sich um den Mexikaner Jesús León, der unter dem Titel Bel Canto Arien von Bellini, Donizetti und Verdi singt. Im Booklet erfährt man, dass er bereits in Berlin gesungen hat und erinnert sich nach einigem Nachdenken an eine konzertante Maria di Rohan, in der er unter Felix Krieger den Riccardo sang und einen positiven Eindruck hinterließ.

Das Gefallen oder Nichtgefallen eines Timbres ist teilweise Geschmackssache, und das Jésus Leóns wird vor allem Liebhabern sehr heller, leicht trockener Stimmen zusagen, die bei Donizetti durchaus gefallen können. In „Una furtiva lagrima“ fällt das gut gestützte Piano auf, in dem die Stimme besonders angenehm klingt, während sie ab dem mezzo forte einen leicht quäkenden Ton annimmt, außerdem recht übergangslos vom einen ins andere verfällt. Die Technik des Mexikaners ist nicht zu beanstanden, es fehlt lediglich die Poesie, die man gerade in dieser Arie erwartet. Auch die beiden Arien des Arturo aus I Puritani klingen zumindest stellenweise eher jämmerlich als melancholisch, für Bellini ist der Tenor nicht geschmeidig genug, beim Intervallsprung in die Höhe weicht er ins Falsettieren aus, obwohl die Höhe ansonsten eine sicher erreichte ist. Auch wünscht man sich für den Vortrag etwas mehr innere Gespanntheit, damit eine Eintönigkeit des Singens vermieden wird. Bei „A te, o cara“ erscheint das Verhältnis Solist-Chor nicht ausgewogen genug.

Klar, deutlich und präzise ertönt das Rezitativ der Arie des Ernesto aus Don Pasquale, auch bei der Arie kann man sich über mangelnde Akkuratesse nicht beklagen, wohl aber darüber, dass der povero Ernesto recht dröge klingt, dass man sich etwas mehr slancio trotz der traurigen Situation, in der er sich befindet, erwartet, wie auch und besonders in der Cabaletta, in der die Extremhöhe erreicht und gehalten wird, aber recht flach klingt. Gut bekommt der Stimme das schnelle Tempo von Tonios Bravourarie aus der Regimentstochter etwas spitz klingt der eine oder andere hohe Ton, auch wenn das Erreichen desselben keine Mühe zu verursachen scheint. In der großen Szene des Edgardo nimmt der Tenor einen etwas heroischeren Klang an, vermeidet den leicht lamentierenden Ton, der an einigen Stellen  der CD auffiel. Die Arie wird intelligent, weil variationsreich gestaltet.  Die beiden Arien des Duca gelingen unterschiedlich gut.  Während „La donna è mobile“ mehr Brillanz verträgt, wird „Parmi veder le lagrime“ gut phrasiert, vermittelt auch etwas vom Aufflammen wahrer Gefühle des Libertins. Die dritte Verdi-Arie ist die des Fenton aus Falstaff. Sie verklingt sehr fein, lässt in ihrem Verlauf aber lyrische Emphase und Poesie vermissen. Begleitet wird der Tenor vom Royal Liverpool Philharmonic Orchestra unter Toby Purser (OA CD9035). Ingrid Wanja