Flammen der Liebe

 

Quella fiamma heißt das neue Album von Nathalie Stutzmann mit Arie Antiche bei Erato/Warner (0190295 76529). Wieder wirkt die Französin in Doppelfunktion als Sängerin und Dirigentin des 2009 von ihr gegründeten Ensembles Orfeo 55. Die von dem Musikwissenschaftler und Komponisten Alessandro Parisotti (1853 – 1913) zusammengestellte Sammlung ist die klassische Gesangsschule schlechthin (ähnlich Czernys Übungen für Pianisten), auch die französische Kontraltistin hat diese Stücke während ihrer Studienzeit gelernt. Für die CD wollte sie jedoch nicht auf Parisottis Bearbeitungen der Kompositionen von Scarlatti, Caldara, Carissimi, Caccini, Bononcini u.a. zurückgreifen, sondern hat die in diversen Bibliotheken liegenden Originale herangezogen. Die Arien, welche von Sängern in ihren Konzerten gern an den Anfang gestellt werden, weil sie ideale Stücke zum Einsingen darstellen, eignen sich darüber hinaus zum Erlernen der Atemtechnik, des Legatos, der Oktavsprünge, Appoggiaturen und Melismen.

Das Programm beginnt mit Alessandro Scarlattis Hit „Già il sole dal Gange“, der eine besondere Beherrschung des Atems verlangt. Stutzmanns reife, strenge Stimme mit ihrer schwarzen Färbung ist in diesem Repertoire gewöhnungsbedürftig, doch bemüht sie sich um einen charmanten Vortrag und lockeren Fluss. Mit Francesco Durantes „Danza, danza“ in seinem ausgelassenen Rhythmus folgt ein wirkungsvolles Stück, von diesem 1684 geborenen Komponisten gibt es später als Kontrast noch das sakrale „Vergin, tutto amor“, in welchem ein perfektes Legato gefordert ist. Auch Caccinis „Amarilli“ ist eine bekannte Nummer, in der es auf eine  absolut ruhige Stimmführung ankommt, was der Altistin überzeugend gelingt. Von heroischem Anflug ist Carissimis „Vittoria, mio core“, wo ein schöner Lauf der Koloraturen zu hören ist (bei einigen knappen hohen Noten). Parisotti als Komponist selbst ist mit dem zärtlichen„Se tu m’ami“ vertreten, wofür Stutzmann die Stimme verschlankt und zu einem angenehm ruhigen Vortrag findet. Besonders gelungen ist Martinis „Plaisir d’amour“ (welches vielfach immer noch für ein französisches Chanson von Aznavour gehalten wird) in seiner kosenden Stimmgebung.

Mehrere Titel stammen aus bekannten Opern – so „Ah! mio cor“ aus Händels Alcina oder „Piangerò“ aus seinem Giulio Cesare, „Per la gloria“ aus Bononcinis Griselda oder „Nel cor più non mi sento“ aus Paisiellos La Molinara. Alcina von einer solch dunklen Stimme zu hören ist ungewohnt, auch mischen sich in den durchaus pathosreichen Vortrag einige heulende Töne. Griseldas „Per la gloria“ ist eine Huldigung an geliebte Augen, was Stutzmann mit angemessener Koketterie wiedergibt. Im Cesare wäre sie eher eine Cornelia, dennoch formt sie Cleopatras großes Lamento beeindruckend, zwingt die Stimme in ein schlankes Maß und im schnellen Mittelteil zu dramatischem Furor.

Aus Francesco Contis Kantate „Dopo tante e tante pene“, genauer deren 3. Satz,  stammt die Aria, welche der CD den Titel gegeben hat: „Quella fiamma“. Sie ist von getragenem Charakter, weist aber reiches Zierwerk auf und bereitet der Interpretin Mühe in der exponierten Lage.

Einige Instrumentalbeiträge von Andrea Falconieri (eine rhythmisch betonte Passacalle von rasanter Steigerung), Nicola Porpora (ein munteres Allegro aus der Sonata a 3, op. 2 und ein kantables Largo aus dem Cellokonzert Nr. 2), Alessandro Marcello (Adagio aus dem Oboenkonzert d-Moll) und Francesco Durante (eine grüblerische Introduction aus dem Concerto Nr. 1) runden das Programm ab und demonstrieren das hohe Niveau des Klangkörpers sowie Stutzmanns inspirierende Leitung.

 

Auch Dorothee Mields singt auf ihrem neuen Album mit Händel-Kantaten bei dhm (89854 05322) von den Flammen der Liebe und der Gefahr, mit dem Feuer zu spielen. „Tra le fiamme“ heißt diese Komposition in sieben Sätzen, deren erster und letzter diesen Titel trägt. Der zarte, liebliche Sopran weiß hier gebührend zu jubilieren. Im 5. Satz, der Aria „Voli per l’aria“, kann er seine Virtuosität mit bravourösen Koloraturläufen noch eindrucksvoller demonstrieren. Die Cantata spagnuola ist dreisätzig und stammt aus Händels italienischer Periode. Es ist eine sehr stille, intime Komposition, und Mields kann hier mit delikaten Nuancen aufwarten. „La bianca rosa“ hat ebenfalls drei Sätze und verlangt eine sehr sublime, zarte Stimmgebung, was die Interpretin ideal erfüllt.

Es ist eine bezaubernde CD – wegen der reizvollen Musik und der anmutigen Interpretation durch die britische Sopranistin. Zudem wirken die renommierte Gambistin Hille Perl und der Lautenist Lee Santana neben dem La Folia  Barockorchester mit, was reizvolle Klangmischungen ergibt. Bernd Hoppe