Stürme in der Bretagne

 

Während einer Gewitternacht auf der bretonischen Insel Belle-Ile-en Mer, auf der sie aufgewachsen ist,  will der Mezzosopranistin Blandine Staskiewicz die Idee zu ihrer CD mit dem Titel Tempesta gekommen sein, die sie mit Les Ambassadeurs unter Alexis Kossenko verwirklicht hat. Tempesta-Arien im weitesten Sinn, von Naturschilderungen oder eher noch, wie im Barock üblich, von Naturerscheinung verwandten Seelenzuständen bis hin zu Arien, die das Überstandenhaben solcher unerfreulichen Vorkommnisse feiern, hat die Sängerin in ihr Repertoire aufgenommen, das sich vor allem auf Vivaldi und Händel, dazu noch auf je eine Arie von Porpora und Pergolesi stützt.

Aus Porporas Carlo il Calvo stammt die Arie des Adalgiso, und die männliche Rolle wird durch den fein konturierten Mezzosopran, der nie schrill wird, bestens ausgefüllt, der Gegensatz zwischen Unwetter und Stille wird durch unterschiedliche Klangfarben fein herausgestellt, das Scintillare del Sole hörbar gemacht. So wie auch Vivaldis Arien zeichnet sich das Stück durch Intervallsprünge aus, die hier nicht so extrem sind wie bei dem Venezianer und gut gelingen. Eher eine Widerspiegelung des jüngst Erlebten als eine wirkliche tempesta ist der Inhalt von Vivaldis „Sovvente in Sole“ mit einer sanften Introduktion und einer ebensolchen Melancholie auch für die Sängerstimme.  Anders verhält es sich mit der Ouvertüre zu Händels Agrippina, aus der auch die Arie „Pensieri, voi mi tormentate“ stammt und in der sich die Stimme dem Soloinstrument, der Oboe, perfekt anpasst, auch ganz instrumental geführt wird, als wenn nicht die Person, sondern die pura ambizione stessa, die sie beseelt,  zu Wort kommt, die bedrohliche Ruhe vor dem Sturm widergibt. Eine direkte Naturbetrachtung findet sich in Pergolesis Arie des Farnaspe, auch wenn von in seno al mar die Rede ist, also die Naturerscheinung personifiziert wird. Die Arie steigt weit hinunter in Bassgefilde, in Töne, die kaum an die Frauenstimme anzubinden sind. Schöne Schmerzenslaute hat sie hingegen für Händels Zenobia mit „Quando mai spietata sorte“. Leichtgängige Koloraturen verlangt Händels „Brilla nell’alma“, bei denen die Stimme leuchten kann und raffinierte Rubati zusätzlich erfreuen. Im berühmten „Ombra mai fu“ scheint der Mezzo dem Rezitativ eine besondere Bedeutung beizumessen, da hier der Titel der CD gerechtfertigt ist, für die ruhigen Gefilde ist ein ganz weicher Tonansatz die richtige Wahl, wobei leichte Manierismen nicht zu überhören sind. Ein irres Prestissimo kennzeichnet Vivalds „Io son fra l’onde“, eher ein fröhliches Kräftemessen als ein drohender Untergang in den Wellen. Eindeutig die Stürme, die in der Seele toben, sind bei Vivaldis „Agitata da due venti“ gemeint, auch hier führen irrwitzige Intervallsprünge in tiefste, einer Mezzostimme eigentlich nicht zugängliche Tiefen. Zwei Orchesterstücke, das erste sehr an L’estate aus den Quattro stagioni erinnernd, das zweite ein graziöses Spiel wie das von glitzernden Wassertropfen im Sonnenlicht  leiten über zum letzten Track, der Arie der Aminta aus L‘Olimpiade , in der die Stimme zu einem interessanten Wechsel zwischen Pathos und Verspieltheit findet (GCD 923503) Ingrid Wanja