Ein neuer Stern am Mezzo-Himmel

 

Als „eine Weltstimme“ bezeichnete Anna Tomowa-Sintow die georgische Mezzosopranistin Anita Rachvelishvili, als sie mit ihr 2013 im Berliner Schiller Theater unter Daniel Barenboim in Rimsky Korsakows Die Zarenbraut aufgetreten war. Die Georgierin sang die Partie der Ljubascha und erntete damit einen Sensationserfolg – ähnlich dem ihres Debüts als Carmen bei der Saisoneröffnung der Mailänder Scala 2009, wiederum unter Barenboim. Inzwischen gehört die Sängerin weltweit zu den Ersten ihres Faches, so dass man – nach DVD-Aufzeichnungen von Carmen und der Zarenbraut –  ihr erstes Arien-Recital bei Sony mit Spannung erwartet hat (19075808752). Natürlich ist in diesem Programm auch Ljubaschas a capella-Arie („Beeile dich, o traute Mutter“) vertreten und erweist sich in der melancholisch-sehnsüchtigen Stimmung als ein Höhepunkt der CD.

Die Auswahl beginnt mit einer weiteren signature-Partie der Sängerin – eben der Carmen und ihrer Seguidilla. Hier überrascht zunächst der sehr verhaltene, introvertierte Zugriff, aber das Raffinement des Vortrags mit fein getupften Nuancen besticht. Erst am Schluss hört man brustige, wild auffahrende Töne. Später gibt es noch die Habanera und auch da rangiert der feine Ton vor dem ordinären Auftrumpfen.

Die Dalila in Saint-Saëns’ Oper stattet die Sängerin – nach Erfahrungen mit der Partie an der Pariser Opéra – ebenfalls mit zurückgenommener Tongebung und erotisch flirrender Stimmung aus, vermeidet jeden vulgären Beigeschmack.

Die Azucena in Verdis Il trovatore sang sie 2016 am Royal Opera House Covent Garden, nachdem sie dort 2013 als Carmen debütiert hatte. Im Programm findet sich die sehr differenziert gestaltete Szene „Condotta ell’era in ceppi“, vom Orchestra Sinfonica Mazionale della Rai unter Giacomo Sagripanti spannungsreich begleitet.

Von der Eboli in Verdis Don Carlo hört man beide Soloszenen – das leichtfüßig-sinnliche Schleierlied und das dramatisch lodernde „O don fatale“. Für ersteres steht der Sängerin der flexible Fluss mit feinen Koloraturen zu Gebote, für die Arie der ausladende vokale Furor. Mit dem Rollendebüt will Rachvelishvili noch warten, die Santuzza in Mascagnis Cavalleria rusticana dagegen noch in diesem Jahr erstmals interpretieren. Das große Solo „Voi lo sapete“ lässt in seiner Interpretation von schmerzlicher bis flammender Tongebung  eine spannende Rollendeutung erwarten.

Zwei Beispiele aus dem elegischen französischen Repertoire sind Charlottes Briefarie aus Massenets Werther und Saphos „O ma lyre immortelle“ aus der gleichnamigen Oper von Gounod. Sie werden mit nobler Kultur und sensibler Empfindung vorgetragen. Schließlich soll eine veritable Rarität in diesem Programm Erwähnung finden – die zwischen Schwermut und Zartheit schwankende Szene der Königin Tamar aus Dimitri Arakishvilis Die Legende von Schota Rustaweli. Das Werk des georgischen Komponisten erinnert an die von 1184 bis 1213 über Georgien herrschende Königin, die in der Erinnerung des Volkes als starke Frau weiterlebt. Als eine solche fühlt sich auch Anita Rachvelishvili, deren weiteren künstlerischen  Weg man mit Spannung verfolgen darf. Bernd Hoppe